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Unterwegs im wilden Gebirge Tadschikistans

Unterwegs im wilden Gebirge Tadschikistans

Ich bin im Pamir Lodge Hostel in Korough als die Meldung reinkommt, dass ein Anschlag auf eine Fahrradgruppe auf der Südroute von Dushanbe nach Korough verübt wurde. Das Hostel ist voll mit Fahrradfahrern aus aller Welt, die diese Route erst kürzlich gefahren sind. Die Betroffenheit vieler ist deshalb noch grösser als üblich.

 

Dann gibt es hier noch zwei junge Schweizer, die unbedingt über Afghanistan nach Pakistan reisen wollen und seit Tagen versuchen ein Visum für Afghanistan zu erhalten. Die Gefährlichkeit einer solchen Reise interessiert sie nicht. Ganz im Gegenteil, sie finden es eine Herausforderung. Da kann ich für Sie nur hoffen, dass sie das Visum nicht erhalten.

 

Spät am Abend treffen auch noch zwei Motorradfahrer aus Holland und Australien ein, die sich über Facebook kennengelernt haben und eine längere Strecke zusammenfahren. Ihre heutige Fahrt war wohl etwas zu schnell über die miserablen Strassen. Bei der Maschine des Holländers ist der hintere Stossdämpfer kaputt gegangen und beim Australier ist die doch recht massive Halterung der Navigationsgeräte gebrochen. Es werden nicht die Letzten sein, die ich in den kommenden zwei Tagen mit ähnlichen Schäden treffen werde. Am kommenden Tag bin ich früh wach und bestelle gleich mein Frühstück. Da ich der Erste bin, geht das recht schnell und so verlasse ich Korough bereits eine Stunde später. Die heutige Etappe verläuft permanent dem Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan entlang und sollte eigentlich geteert sein. Das war sie auch einmal vor ca. 25 Jahren. Seither wurden keine oder nur geringfügige Unterhaltsarbeiten getätigt. Entsprechend ist die Strecke mit Löchern und verfallenem Belag übersäht. Ich muss daher mein Tempo stark drosseln, um nicht die gleichen Schäden, wie den beiden Motorradfahrern von gestern zu provozieren.

 

Ziemlich müde komme ich am Abend in Kailakhum an. Leider ist mein angepeiltes Hotel ausgebucht. Eine italienische Reisegruppe hat es in Beschlag genommen. Der Chef des Hauses hat aber schnell eine Lösung gefunden und quartiert mich ein Haus weiter bei seinen Eltern ein, die wie durch Zufall auch ein Guesthouse führen.

 

Das Nachtessen bekomme ich trotzdem im ausgebuchten Hotel und treffe dabei einen Schweizer, der seit knapp einem Jahr zu Fuss nach China unterwegs ist und drei belgische Reisende, die mit einem Führer Tadschikistan erkunden. Immer wieder spannend, was für Leute ich kennenlerne.

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Die Nordroute nach Dushanbe führt über den 3’850 Meter hohen Khaburarbot Pass. Dabei ist eine Passage sehr exponiert, weshalb der Pass auf der Webseite dangeresroads.org – world’s most spectacular roads aufgeführt ist. Zudem haben mir zwei Motorradfahrer, die ich im Wakhan Tal getroffen haben, gesagt, dass ich da nur rüberfahren soll, wenn ich über sehr gute Endurofahrkenntnisse verfügen würde.

 

Beim Start meiner KTM bin ich deshalb gespannt auf die heutige Fahrt. Anfangs ist die Strasse noch gut und bringt mich ins Tal des Obikhubon Flusses. Beim Start der Passauffahrt steht wieder einmal ein Militärposten. Meine Daten werden in ein dickes Buch eingetragen und nach einer freundlichen Verabschiedung kann ich weiterfahren.

 

Die Strasse ist mittlerweile noch einspurig und führt über grosse Schleifen die Berge hinauf. Viele Bienenhäuschen und einige Jurten deuten darauf hin, dass dieses Gebiet im Sommer bewohnt und genutzt wird. Es dauert auch nicht lange, bis ein erster kleiner Lieferwagen von oben kommt.

 

Die beschriebene exponierte Stelle erreiche ich nach knapp einer Stunde. Die Schotterpiste wurde hier über einige hundert Meter aus dem Felsen geschlagen, weshalb es auf der einen Seite in die Tiefe geht und der Strassenrand nicht gesichert ist. Da mir Höhen keine Mühe bereiten und zudem die Schotterstrasse recht gut ist, komme ich ohne Problem über diese Passage hindurch.

 

Weiter oben steht dann die erste Hinweistafel auf Landminen. Auf der Passhöhe stehen dann gleich mehrere davon rum. Die sind leider noch aus dem vergangenen Krieg zwischen Russland und Afghanistan. Hinter der ersten Kurve nach der Passhöhe steht dann aber ein Schäfer mit hunderten von Schafen mitten im Gelände. Entweder weiss er, wo die verbleibenden Minen liegen, oder er ignoriert es einfach oder es gibt gar keine Minen mehr.

 

Drei Schlaufen später kommt mir ein alter, farbig bemalter Renault entgegen. Verwundert halte ich an. Im Fahrzeug sitzt eine Irin und zwei Iren, die an der Mongolian Ralley 2018 teilnehmen. Von dieser Ralley habe ich schon gehört, kenne aber die Bedingungen nicht. Sie erklären mir dann lachend, dass es kein richtiges Rennen ist und es drei Voraussetzungen gibt. Das Fahrzeug darf nicht mehr als 1’000cc haben, Motorräder oder Roller nicht mehr als 250cc. Man darf keine Unterstützung dabeihaben oder Sachen vorweg organisieren und es müssen mindesten £ 1’000.00 an Wohltätigkeitsgelder gesammelt werden. Start ist in England und Ziel in der Mongolei. Zeit haben sie höchsten sechs Wochen. Auf meine Frage, wie lange sie schon unterwegs sind, meinte die Irin, zwei Wochen, was bedeutet, dass sie bisher permanent am Fahren waren. Verrückt, wem ich so alles begegne.

 

Später komme ich in ein weiteres Tal und folge dem grossen Fluss Surchob. Die Bewohner hier müssen sehr patriotisch sein. Überall sind grössere und kleinere Fahnenstangen mit Bildern der Präsidentenfamilie und Minister aufgestellt. 

 

Die Hauptstrasse, die Tadschikistan mit Kirgistan verbindet, erreiche ich nach zwei Stunden. Diese ist anfänglich geteert, endet aber immer wieder in längeren Schotterabschnitten. Hier komme ich am Projekt des Rogun Staudammes vorbei, der die höchste Talsperre der Welt werden wird. Eine so grosse Baustelle habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.

 

Um 19.00 Uhr bin ich in Dushanbe. Zum Glück habe ich am Vorabend ein Zimmer übers Internet reserviert, das Hostel ist nämlich ausgebucht. Auf dem Parkplatz stehen fünf Motorräder. Mit einem der Fahrer hatte ich über Facebook bereits Kontakt und so lerne ich alle anderen beim anschliessenden Nachtessen kennen.

 

Nach all den staubigen Schotterpisten muss ich den Luftfilter der KTM reinigen. Gleich in der Nähe befindet sich die Biker House Werkstatt, wo alle Fernmotorradfahrer vorbeikommen, wenn es etwas zu erledigen gibt. Hier treffe ich auf einen Fahrer aus Litauen, der wegen zu schnellem Fahren den hinteren Stossdämpfer demoliert hat. Ein weiterer Deutscher Fahrer hatte ein verkrümmtes Vorderrad, verursacht durch einen Schlag eines dieser tiefen Löcher. Ein weiterer Motorradfahrer war mit einem Lieferwagen zur Werkstatt unterwegs. Auch er hatte einen defekten hinteren Stossdämpfer. Der Werkstatt geht die Arbeit nicht so schnell aus.

 

Wieder im Hostel packen mich Magenkrämpfe und ich liege flach. Nun hat es mich doch noch erwischt. Ich dachte schon, dass ich Tadschikistan ohne die gefürchtete Magenverstimmung überstehe. Meine heutige Weiterfahrt muss ich deshalb zugunsten eines Genesungstages verschieben.

Ich öffne mein Helmvisier und klappe das Kinn Teil zurück. Ah – frische Luft. Keine 10 Meter vor mir hängt ein Soldat in einem Klappstuhl und schaut mich belustigt an. Er sieht vermutlich öfters Motorrad- oder sogar Fahrradfahrer, die gerade den Anzob Tunnel passiert haben und hier halten, um Luft zu schnappen. Dann blicke ich zurück und sehe, was ich schon oft gelesen habe. Schwarzer Abgasrauch steigt aus der Röhre auf.

 

Der Tunnel wurde ursprünglich gebaut, um den beschwerlichen Weg über den Pass zu erleichtern. Die Bauarbeiten wurden aber dermassen schlecht ausgeführt, dass der Tunnel schon kurz nach der Eröffnung den Namen Tunnel of death erhielt und als die gefährlichste Röhre der Welt gewertet wurde. Dies, weil kein Licht installiert wurde, der Bodenbelag schon nach wenigen Wochen mit riesigen, nach Regen mit Wasser gefüllten Löchern bestand und keine Lüftung installiert wurde. Das führte oft zu Staus innerhalb der 5 km langen Röhre oder Unfälle. Ohne frische Luft war das für die betroffenen Menschen lebensgefährlich.

 

Vor drei Jahren wurde endlich nachgebessert. Jetzt gibt es zumindest diffuses Licht und vor allem keine Belagslöcher mehr. Eine Lüftung fehlt aber noch immer. Der Sicherheitsstandard ist auf der Skala 0 einzustufen. Passiert etwas im Tunnel, wird es auch heute noch schnell bedrohlich. Die einheimischen Autofahrer tragen hier ebenfalls vieles mit ihrer Fahrweise, wie zum Beispiel überholen, dazu bei.

 

Abgesehen von diesem Loch ist die Fahrt über die Berge wunderschön. Hinzu gesellt sich eine gute ausgebaute Teerstrasse. Endlich mal wieder Motorradfahren oder dauernd den Blick auf der Strasse haben zu müssen. Die Route führt ab Dushanbe für längere Zeit dem Yarzob Fluss entlang, an dem sich die wohlhabenden Leute aus Dushanbe ausbreiten. Die Siedlungen sind deshalb voll mit schönen Häusern und ebensolchen Hotel- und Restaurantanlagen. Da ich vergessen hatte, am Vorabend Wasser zu kaufen, halte ich an einem Restaurant mit Kühlschrank vor der Türe. Ich habe noch nicht einmal den Motor abgestellt, steht schon ein Mann mit seinem Sohn neben mir und begrüsst mich mit Händedruck. Weitere zwei Männer folgen und bestaunen meine KTM. Den Namen einer Person zu wissen ist hier auch wichtig und so fragen sie mich dies als Erstes. Eine weitere Person kommt hinzu, die etwas mehr Englisch spricht und organisiert mir meine drei Liter Wasser. Mein Blick bleibt dabei auf dem Fleischkloss hängen, der an einem Kleiderständer hängt. Das bleibt nicht unbeachtet und resultiert zu einer Einladung zum Lammessen. Ohne die noch spürbaren Magenproblemen der letzten zwei Tagen und etwas später am Tag, wäre das Angebot verlockend gewesen. So aber bedanke ich mir mehrmals freundlich und verschiebe mich zum Motorrad.

 

Nach der Talfahrt vom Anzob Tunnel führt mich die Strecke langsam zu den Bergen hinaus Richtung Usbekistan. Die Vorboten der Grenzzone sind fünf Fahrzeuge der Mongolen Rally 2018, die am Strassenrand stehen. Einige davon sehen schon ziemlich havariert aus.

 

Der Grenzübertritt ist dann mit Abstand der Angenehmste. Sowohl die tadschikische Seite als auch die für ihre strengen Kontrollen berüchtigten usbekischen Beamten sind äussert freundlich, schauen, dass ich sofort an die Reihe komme, verlangen keinerlei Geld für irgendetwas und vor allem will niemand auch nur ansatzweise mein Gepäck kontrollieren. Die von beiden Ländern fürs 2018 ausgerufenen Charmeoffensive für mehr Tourismus zeigt Wirkung, die ich dankend annehme.

 

Samarkand, eine der schönsten Städte der Seidenstrasse, erreiche ich so früher als erwartet. Die verbleibende Zeit bis zum Nachtessen verbringe ich auf der Terrasse des Guesthouse mit feinen Wassermelonenstücken und Grüntee. Ein schönes kaltes Bier gibt es dann zum Dinner.

Route und Downloads

Track und POI meiner Route

Die GPX Datei enthält den Track und diverse Wegpunkte von Pässen, Sehenswürdigkeiten, Strasseninfos, Restaurants, Unterkünfte, Grenzen und mehr. Alle Daten ohne Gewähr.

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Christian Feustle

Autor und Inhaber der Marke Motoglobe

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