Nationalparks Durmitor und Theth
Nach vier Wochen fast nur Sonnenschein kündigt sich ein Wetterwechsel an. Es wird unbeständig, und ich muss leider anfangen, Prioritäten zu setzen, was ich erkunden möchte. Die geplante Fährfahrt über den Koman-See und durch die beeindruckende Schlucht streiche ich schweren Herzens. Bei den angekündigten starken Gewittern macht es einfach keinen Sinn, in die Berge zu fahren.
Damit ich je nach Wetterlage spontan entscheiden kann, positioniere ich mich im zentral gelegenen Shkodra. Die Route dorthin ist nicht besonders attraktiv, mit einer Umfahrung von Tirana. Doch dann werde ich positiv überrascht: Die Panoramastraße über den Krraba-Pass bietet eine spektakuläre Aussicht auf beiden Seiten. Weniger schön ist die Perspektive, die sich mir bei der riesigen Industriezone rund um Elbasan bietet – eine Mischung aus alten, verfallenen Anlagen und neuen Bauten. Potthässlich muss ich ehrlich sagen.
Bei einem Tankstopp fragt mich der Tankwart, ob ich Italienisch spreche. Als ich verneine, spricht er trotzdem auf Italienisch weiter. Lustig ist, dass auch im Café seine Kollegen Italienisch können und mit mir anfangen zu plaudern. Ich erwidere einfach auf Spanisch, wodurch wir uns wenigstens etwas verstehen.
Weiter geht es über eine weitere Panoramastraße, mit der ich nicht gerechnet habe, und mir einen Weitblick in eine riesige Ebene bietet. Nacht der Talfahrt biege ich in ein schmales Strässchen ein, welches mich einige Kilometer später auf die Hauptstrasse nach Shkodra bringt. Doch vorher überquere ich eine schmale Holzbrücke, bei der jeder Holzknüppel aufspringt, als ich darüberfahre – es klingt fast wie ein Xylophon, nur weniger beruhigend, da es ja eine Brücke ist.
In Shkodra habe ich eine Unterkunft direkt am See gefunden. Die Honda steht sicher in der halboffenen Garage unter dem Haus. Nach einem kleinen Spaziergang gönne ich mir eine frische Forelle mit Salat. Währenddessen plaudere ich noch mit drei Motorradfahrern aus der Tschechischen Republik, die hier ebenfalls Unterschlupf vor dem angekündigten Regen suchen.
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Die unbeständige Wetterlage macht es schwer, Pläne über mehrere Tage zu schmieden. Für morgen sind erneut starke Regenfälle in den Bergen angesagt, gefolgt von zwei Tagen schönem Wetter, bevor heftige Gewitter die Region wieder erreichen. So stehe ich vor der Entscheidung, welche Ziele ich priorisieren und auf welche ich verzichten soll.
Der Durmitor-Nationalpark steht ganz oben auf meiner Liste. Auf einer früheren Motorradreise zum Schwarzen Meer war ich schon einmal durchgefahren, aber die Sichtverhältnisse waren damals so schlecht, dass ich wenig von der Landschaft gesehen habe. An zweiter Stelle steht der Nationalpark Theth in Albanien, der sich von Süden her über eine unbefestigte Schotterstraße durch eine wilde Berglandschaft erreichen lässt.
Ich entscheide mich, zuerst den Durmitor-Nationalpark in Montenegro zu besuchen. Die Wettervorhersagen bestimmen meine Route. Bleiben sie stabil, werde ich danach nach Albanien zurückkehren und den Theth-Nationalpark besuchen. Auch wenn es etwas umständlich ist, hin und her zu fahren, liegt die Distanz bei etwa 130 Kilometern – das ist verkraftbar.
Am nächsten Tag fahre ich bei besserem Wetter als vorgesagt los und überquere ohne Probleme die Grenze nach Montenegro. Die Sonne drückt sogar durch, und ich entscheide mich deshalb spontan für eine Nebenstraße, die entlang der albanischen Grenze verläuft. Die Strecke führt parallel zur neugebauten Autobahn nach Serbien, die leider rücksichtslos in die Berglandschaft gehauen wurde.
Podgorica, die Hauptstadt Montenegros, umfahre ich durch die äußeren Stadtviertel. Auf dem Weg durchquere ich ein heruntergekommenes Viertel mit verfallenen Häusern und Straßen, die von Müll übersät sind. Kinder spielen zwischen den Trümmern und viele Menschen stehen in kleinen Gruppen herum. Solche Zustände habe ich in Montenegro nicht erwartet. Später lese ich nach und erfahre, dass etwa 34 % der Bevölkerung in Montenegro in Armut leben.
Je tiefer ich in die Bergwelt eintauche, desto dunkler werden die Wolken. Bald darauf setzt leichter Regen ein. Die Temperaturen sinken merklich, da ich mehr und mehr an Höhe gewinne. Bei Mojkovac biege ich schließlich auf die Panoramastraße entlang der Tara-Schlucht ab, die mich zur berühmten Tara-Brücke bringt. Von dort geht es hinauf ins Bergdorf Žabljak, meinem Ausgangspunkt für den Durmitor-Nationalpark.
Doch plötzlich blockiert ein Bagger die Straße. Es gibt keinen Hinweis auf eine Straßensperrung, und ich finde keine Person, die den Verkehr regelt. Ein Auto hält hinter mir und ein Mann steigt aus. Er fragt mich, was los ist, jedenfalls vermute ich, dass er dies fragt, weil ich ihn nicht verstehe. Ich zucke mit den Schultern und erwidere auf Englisch, das ich es nicht weiss. Er nickt und läuft um den Bagger herum. Kurze Zeit später kommt er zurück und sagt auf Englisch, dass die Straße gesperrt ist. Er empfiehlt mir, nachzufragen, ob ich vielleicht mit dem Motorrad durchkomme. Hinter dem Bagger sässen zwei Arbeiter im Auto, die ich fragen können. Ich versuche mein Glück, doch die Arbeiter schütteln nur ihren Kopf – kein Durchkommen. Ärgerlich suche ich auf der Karte nach einer Umfahrung. Diese finde ich, jedoch ist das ein Umweg von über 100 km.
Nun gut. Ich drehe um und fahre zurück nach Mojkovac und danach weitere 30 der Strecke entlang, von wo ich gekommen bin. Danach biegt die neue Strecke ab und eine schmale Bergstrasse bringt mich über einen Pass, der auf 1’600 Meter liegt. Ganz schön kalt hier oben gepaart mit dem Regen. So kann ich die beeindruckende Berglandschaft leider kaum genießen. Fast zwei Stunden später erreiche ich endlich meine Unterkunft und bin froh über das leicht beheizte Zimmer und eine heiße Tasse Kaffee.
Kurzdarauf besuche ich ein nahgelegenes Restaurant und finde gerade noch einen freien Platz, bevor eine große Gruppe ankommt. Kurz darauf gesellt sich eine Frau aus Deutschland an meinen Tisch, und wir kommen ins Gespräch, während ich mein Abendessen verköstige. Danach verabschiede ich mich, während sie immer noch auf ihr Essen wartet. Die große Gruppe hat offenbar die Restaurantküche überlastet.
Gespannt, ob das Wetter heute mitspielt, werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Alles ist verhangen, und weit und breit ist keine Sonne zu sehen. Doch ich lasse mich nicht entmutigen, bleibe optimistisch und frühstücke erst einmal in Ruhe. Beim Packen hat sich der Nebel inzwischen verzogen, aber dicke Wolken verdecken weiterhin den Himmel.
Trotzdem mache ich mich bereit und fahre los. Nach einigen Kilometern entdecke ich endlich ein Stück blauen Himmel über den Bergen – meine Stimmung hellt auf. Als ich auf das kleine Sträßchen Richtung Durmitor-Nationalpark einbiege, lichtet sich das Wolkenmeer immer mehr, und die einzigartige Landschaft entfaltet sich vor meinen Augen. Ich kann die beeindruckenden Felsen und Täler voll genießen.
Auf der schmalen Straße bin ich jedoch nicht allein. Camper, Autos und eine große Gruppe kroatischer Motorradfahrer teilen sich die Strecke mit mir. Bei einem meiner vielen Fotostopps komme ich mit drei Motorradfahrern aus Österreich ins Gespräch. Einer zeigt besonderes Interesse an meiner Honda und fragt neugierig, wo ich damit schon überall unterwegs war. Ein australischer Motorradreisender gesellt sich kurz darauf zu uns und erzählt ein wenig über seine spannende Reise von Down Under bis nach Europa.
Gegen Ende der Panoramastrasse, fahre ich vorsichtig an einer Baustelle vorbei. Sie sind gerade dabei, die Straße zu teeren, aber lassen den Verkehr dennoch durch. Ich weiche so weit wie möglich in die Wiese aus, um den frischen Teer zu vermeiden, der sich ansonsten im Reifenprofil festkleben würde und danach bei höheren Geschwindigkeiten sich löst und gegen den Motorblock fliegt.
Der nächste Abschnitt führt mich in einer abenteuerlichen Abfahrt hinunter zum Piva-See. Über Serpentinen und durch schmale Naturtunnel bahnt sich die Straße ihren Weg durch den Felsen. Bei einem der Aussichtspunkte halte ich an und treffe auf Touristen aus Israel, die überrascht sind, dass ich mit dem Motorrad bis hierher aus der Schweiz gefahren bin. Sie laden mich nach Israel ein, müssen jedoch selbst eingestehen, dass dies mit dem Motorrad zurzeit schwierig sein dürfte.
Beim See unten angelangt, schlage ich den Weg zurück nach Albanien ein und folge vorerst der Hauptverkehrsachse. Als ich langsam aus der Bergwelt hinaus in Richtung Niksic komme, entdecke ich ein Schild, das auf das Kloster Ostrog hinweist, das in die Felswand gebaut wurde. Spontan beschließe ich, den Umweg zu nehmen, und biege ab. Ein kurzer Blick auf mein Navigationsgerät verrät mir, dass es nur 10 Kilometer entfernt ist und eine Nebenstraße später wieder auf meine Route trifft. Perfekt!
Die Straße wird immer schmaler, führt dem Bergkamm entlang und bietet großartige Ausblicke. Am Kloster angekommen, entscheide ich mich, nicht ganz hinaufzufahren, da ich mit meinen Enduro-Stiefeln nicht Treppen laufen kann. Stattdessen halte ich an einem Aussichtspunkt, den ich auf der Karte gesehen habe. Diese erreiche ich zu Fuss über einen kurzen Weg durch das Gebüsch. Hier bin ich allein und genieße den weiten Blick auf das Kloster und die Bergwelt – der ideale Ort für eine längere Pause. Danach rolle ich auf einer kurvigen Straße entlang der Bergkette langsam hinunter ins Tal und gelange schließlich zurück auf die Hauptverkehrsachse nach Podgorica.
Die Hauptstadt kann ich schnell durchqueren und stehe bald wieder an der Grenze zu Albanien. Leider gibt es hier einen Stau, und ich warte über eine halbe Stunde. Als ich an der Reihe bin, wirft der montenegrinische Zollbeamte nur einen kurzen Blick auf meine Dokumente und winkt mich weiter. Auch der albanische Zöllner tut es ihm gleich – warum ich überhaupt warten musste, frage ich mich.
Meine Unterkunft liegt direkt an der Straße zum Nationalpark Theth, den ich morgen erkunden möchte. Das Wetter bleibt freundlich, und ich freue mich schon auf die bevorstehende Fahrt. Die Unterkunft ist neu und ziemlich luxuriös, was sich auch im Preis widerspiegelt. Da ich in den letzten Tagen sehr günstig untergekommen bin, gönne ich mir diesen Komfort.
Auf dem Parkplatz stehen bereits zwei Motorräder mit holländischen Kennzeichen. Auf den Seitenkoffern sehe ich eine Weltkarte mit einer eingezeichneten Tour durch Afrika – das trifft sich gut! Vielleicht bekomme ich ein paar wertvolle Tipps für meine kommende Afrikareise.
Im Restaurant treffe ich auf die Beiden. Es sind Sjaan und Joost, ein sympathisches holländisches Paar, das vor zwei Jahren auf seine Rundreise durch Afrika gestartet ist und jetzt langsam in Richtung Holland rollen. Sie laden mich zu sich an den Tisch ein, und wir plaudern stundenlang über unsere Reisen.
Nach dem leckeren Frühstück packe ich meine Enduro und verabschiede mich von Sjaan und Joost. Wir haben unsere Kontaktdaten ausgetauscht und ich bin mir sicher, dass wir in Kontakt bleiben werden.
Das Wetter sieht gut aus, und ich freue mich auf die Schleife durch den Nationalpark Theth. Besonders gespannt bin ich auf die Südroute über die Pässe Asters und Shoshit, die noch Naturstraße ist. Vor ein paar Jahren war sogar die Nordroute noch geschottert und nicht einfach zu befahren, aber jetzt führt eine geteerte Straße über den Thore-Pass.
Ich starte auf der Teerstraße und genieße schon nach wenigen Kilometern das Bergpanorama. Der Verkehr nimmt allerdings zu, und vor allem Camper und Minibusse machen das Fahren auf den engen Kurvenstrecken etwas mühsam. Immer wieder muss ich warten, bis sie aneinander vorbeikommen. Auf der Passhöhe angekommen, bietet sich mir ein toller Blick ins Theth-Tal.
Im Tal in der Ortschaft Theth ankommend, fahre ich gleich weiter. Hier ist mir zu viel los. Ich fahre durch die Ortschaft hindurch und komme bald zum Grunas Canyon. Hier endet die geteerte Straße, und die Strecke wechselt auf Schotter.
Während ich entlang des Theth-Flusses fahre, treffe ich plötzlich auf eine Motorradfahrerin, die am Straßenrand steht. Ich halte an und frage, ob alles in Ordnung ist. Sie nickt und erklärt, sie müsse gleich weiter, da sie mit ihrem Vater unterwegs ist, der schon vorausgefahren sei. Kurz darauf treffe ich die beiden wieder bei einer Brücke über den Fluss. Wir kommen ins Gespräch und sie fragen mich nach meiner Honda und meinen bisherigen Reisen. Wir tauschen Kontaktdaten aus, damit sie bei weiteren Fragen zur Honda mich erreichen können.
Nun geht es hinauf zu den Pässen. Die Schotterpiste ist anfangs breit, aber steil und hat viel Kies und Steine, was das Fahren unruhig macht. Damit ich trotzdem, was von der schönen Landschaft mitbekomme, lege ich einige Stopps ein.
Auf der ersten Passhöhe wird die Strecke besser – weniger Kies und Steine, dafür mehr festgefahrene Erde, was das Fahren angenehmer macht. Ich fahre weiter entlang des Bergkamms. Vor der nächsten Passhöhe lege ich einen Stopp im kleinen Restaurant ein, das um eine Kurve herum plötzlich auftaucht. Dort treffe ich auf einen Fahrradfahrer, der ebenfalls gerade Pause macht. Wir tauschen uns kurz aus, bevor er wieder in die Pedale tritt und in die gleiche Richtung wie ich losradelt.
Ich bestelle mir einen Kaffee und setze mich auf die Veranda. Es dauert nicht lange, und ein großer Sattelschlepper taucht auf, beladen mit Erde. Das verheißt nichts Gutes. Wenn sie hier schon mit so schwerem Gerät arbeiten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Südroute komplett ausgebaut ist.
Nach meinem Kaffee mache ich mich wieder auf den Weg. Die Piste ist nun größtenteils planiert, was das Fahren hinauf zur Passhöhe deutlich einfacher macht. Oben stehen drei weitere Motorradfahrende. Ich halte erneut an und unterhalt mich ein wenig mit ihnen.
Die erste Baustelle lässt danach nicht lange auf sich warten. Ein Sattelschlepper blockiert die Straße, und der Fahrer winkt mir zu, dass ich am Rand vorbeifahren kann. Natürlich über frisch aufgeschüttete Erde. Zum Glück habe ich keine Probleme durchzukommen.
Wenig später versperren mir zwei Bagger den Weg. Einfach am Rand vorbeifahren ist hier nicht möglich, da Erdarbeiten im vollen Gange sind. Als die Arbeiter mich sehen, räumen sie den Weg frei, und ich kann weiterfahren. Kurz danach kommt ein längerer Abschnitt der ursprünglichen Piste. Da wird es ruppig und steil, aber mit der agilen, leichten Honda ist das kein grosses Problem. Kurz darauf ist die Strecke wieder planiert, und ich fahre durch ein grünes Tal entlang des Kir-Flusses.
Ich treffe erneut auf den Fahrradfahrer, den ich vorher im Restaurant gesehen habe. Er macht gerade eine Pause, und ich nutze die Gelegenheit, ebenfalls eine einzulegen. Er erzählt mir von seiner Tour, die er Norwegen begonnen hat und in 10 Tagen nach 10 Wochen unterwegs in Athen enden soll – insgesamt 7.000 Kilometer! Eine beeindruckende Leistung.
Die letzten Kilometer bis Shkodra ist die Strasse geteert und bald darauf erreiche ich meine Unterkunft. Diese Nacht soll das Wetter umschlagen und es sind heftige Gewitter angekündigt. Deshalb habe ich vorsorglich für zwei Nächte bezahlt.
Route und Downloads
Track und POI meiner Route
Die GPX Datei enthält den Track und diverse Wegpunkte von Pässen, Aussichtspunkten,Sehenswürdigkeiten, Strasseninfos, , Grenzen und mehr. Alle Daten ohne Gewähr.
Autor und Inhaber der Marke Motoglobe