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Nach Namibia zum Fisch River Canyon

Nach Namibia zum Fish River Canyon

22.01.2025 routen >> afrika hautnah

Noch vor dem Frühstück packe ich meine Sachen zusammen und mache das Motorrad startklar. Anschliessend fahre ich zum Hauptgebäude, um zu Frühstücken. Dabei treffe ich auf eine Gruppe von fünf Bikern aus Südafrika. Sie haben in einem der Bungalows auf der Farm übernachtet. Die Farm ist so weitläufig, dass man nicht weiss, wer alles hier ist. Sie haben gerade gefrühstückt und fahren los in Richtung Kapstadt, wogegen ich meine Bestellung aufgebe.

 

Bei der Bezahlung meiner Rechnung fragt mich der Mann am Empfang nach meiner Route. Ich erkläre ihm, dass ich über Wupperthal nach Clanwilliam fahren und von dort aus weiter in den Norden will. Er warnt mich, dass die Piste nach Wupperthal schwierig sei und nur für 4×4-Fahrzeuge geeignet. Mit meinem Motorrad sollte es aber machbar sein. Klingt nach einer spannenden Strecke.

 

Dieses Mal nehme ich die offizielle Straße, die von der Farm hinausführt, und überquere dabei einen kleinen Pass. Noch ein letzter Blick zurück auf die schön gelegene Farm. Nach etwa 15 Kilometern erreiche ich die Abzweigung nach Wupperthal. Die Piste ist anfangs gut zu fahren, doch je näher ich dem Aufstieg zum Eselbank Pass komme, desto ruppiger wird sie.

 

Oben angekommen geht es über eine Ebene mit farbigen Bergen und beeindruckenden Steinformationen. Die Landschaft ist super doch die Piste verlangt meine volle Konzentration. Ich lege deshalb mehrere Stopps ein und betrachte dabei die Umgebung in Ruhe. Auf der Abfahrt zur kleinen Siedlung Eselbank wartet eine erste einfache Flussdurchfahrt auf mich. Das Wasser ist nicht tief und der Untergrund ist aus Beton und nicht rutschig. Umgekehrt sieht es mit dem sandigen Abschnitt vor der Ortschaft aus, der mich etwas herausfordert.

 

Die Piste führt mitten durch das Dorf und ich frage mich, wovon die Menschen hier leben. Der Sand begleitet mich noch eine Weile, nie so tief, dass ich stecken bleibe, aber genug, um die Honda mehrmals ins Schlingern zu bringen. Einige Kilometer vor Wupperthal geht es steil hinunter, weshalb die Piste betoniert ist.

 

In Wupperthal halte ich auf der Dorfstrasse an und frage einige Teenager nach einem Laden oder Restaurant, wo ich Wasser kaufen kann. Sie nicken und zeigen auf ein Haus gegenüber. Ich fahre rüber und finde einen kleinen Laden, wo ich Wasser bekomme und im kleinen Restaurant gleich nebenan bestelle ich mir einen Kaffee. Außer mir scheinen nur Einheimische hier zu sein, die sich zu einem Schwatz treffen und mich alle freundlich Grüssen.

 

Von hier aus ist die Piste wieder besser ausgebaut, und ich komme schneller voran. Zunächst überquere ich den Hoek se Berg Pass, bevor ich nach etwa 30 Kilometern die Kreuzung nach Clanwilliam erreiche. Ab hier ist die Straße asphaltiert, und ich fahre flott über den Pakhuis Pass. Auf der Talfahrt bietet sich ein wunderschöner Blick auf die grün bewachsene Umgebung von Clanwilliam und dem gleichnamigen Stausee.

 

In Clanwilliam halte ich an der Tankstelle. Eine Erfrischung wäre jetzt willkommen, aber wie so oft gibt es hier weder ein Restaurant noch einen Shop. Also setze ich mich wieder auf die Honda und fahre die letzten 70 Kilometer auf der Hauptverkehrsachse in den Norden. Meine Unterkunft liegt in etwas sieben Kilometer ausserhalb von Vanrhynsdrop erneut auf einer Farm und ebenfalls eingebettet in eine beeindruckende Landschaft.

 

Hier bekomme ich einen komfortablen Bungalow mit Blick auf den kleinen Farm See und die umliegenden Berge. Da ich der einzige Gast bin, bringt man mir das Abendessen direkt zum Bungalow – ein wunderbarer Service. Ich verbringe den Abend entspannt auf der Veranda. Gut bleibe ich hier zwei Tage und kann ich einer solch schönen Umgebung meinen Reisebericht «Von der Küste bis ins Cederberg-Gebirge» schreiben. Ich Cederberg hatte ich dazu keine Zeit, da ich den ganzen Tag auf der Wanderung unterwegs war.

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Mein Bungalow ist großzügig ausgestattet – wie fast alle Unterkünfte in Südafrika: mit einer kleinen Küche, einem Wasserkocher sowie Tee und Kaffee. Natürlich gibt es auch einen Grillplatz für ein Braai – so nennen die Südafrikaner das Grillen. Das gehört hier einfach dazu und ist überall sehr beliebt.

 

Das Frühstück nehme ich im Essraum ein, der direkt neben dem Farmgebäude liegt. Es gibt auch einen Swimmingpool und schattige Plätze mit Liegestühlen. Das Frühstück ist reichhaltig: Erst gibt es Joghurt mit Müsli und etwas Obst, danach Eier, Tomaten, Pilze, Speck und eine Wurst. Bis jetzt habe ich das in allen Unterkünften genau gleich bekommen – ein Standardfrühstück hier das für meine Bedürfnisse viel zu viel und du fleischhaltig ist.

 

Den restlichen Tag verbringe ich ruhig: Ich schreibe an meinem Reisebericht, sitze entspannt auf der schattigen Veranda und schmiere die Kette meiner Honda, die es nach den staubigen Pisten nötig hat.

 

Anschliessend packe ich mein Gepäck etwas um. Dabei fällt mir auf, dass der Deckel der Benzinblase fehlt. Nicht schon wieder, schwirrt es durch meinen Kopf. Den habe ich doch schon einmal in Südamerika bei meiner damaligen Benzinblase verloren. Damals hatte ich ihn vergessen aufzuschreiben, nach dem Tanken. Aber jetzt. Die Blase habe noch gar nicht gebraucht. Da sich der Deckel auf den Rüttelpisten verselbständigt haben. Schöner Mist. Gut benötige ich die Benzinblase e rst ab Juni auf meiner Route nach Uganda und Kenia. Bis dahin werde ich sicherlich einen neuen Deckel bekommen.

 

Am Abend frischt der Wind auf und bringt Abkühlung mit sich. Ich lasse Türe und Fenster offen, damit der Bungalow durchlüften kann. Plötzlich höre ich einen lauten Krach: Der Lampenschirm aus Blech wackelt, und etwas landet auf der Küchentheke, mitten auf einem Tablar mit Geschirr. Es ist eine Fledermaus – vermutlich vom Licht angelockt. Die fasse ich lieber nicht an, da sie beißen können und oft Tollwut übertragen. Stattdessen nehme das Geschirr vom Tablar und transportiere danach auf dem Tablar die Fledermaus vor die Türe und werfe sie in die Luft, damit sie wegfliegen kann.

 

Apropos Tiere. Ruhe ist im Bungalow aber auch tagsüber nicht wirklich. Es raschelt, knabbert und seltsame Töne erklingen, als ob Tiere in den Wänden unterwegs wären. Ich vermute, es sind Geckos. Auch nachts höre ich sie gelegentlich. Trotzdem schlafe ich tief und fest.

Beim Frühstück frage ich den Farmbesitzer, ob er weiß, wo ich Benzinkanister kaufen kann. Er schüttelt den Kopf und meint, das sei hier auf dem Land nicht so einfach. Zudem würden heute, Samstag, alle Geschäfte um 13.00 Uhr schließen bis Montagmorgen. Er schaut sich meine Benzinblase an und sagt, er frage seine Leute, ob sie eventuell einen Deckel eines alten Kanisters haben.

 

Zehn Minuten später kommt er mit einem traurigen Gesicht zurück und meint, genug große Deckel hätten sie, aber das Gewinde würde nicht passen. Ich bedanke mich für seine Hilfsbereitschaft und sage, dass ich sicherlich einen Deckel früher oder später bekommen werde.

 

Die heutige Strecke von 300 km bis nach Springbok lege ich auf der Teerstraße zurück. Die Hauptverkehrsachse hatte vor zwei Tagen kaum Verkehr und wenig Lastwagen. Zudem ist die Landschaft bis Springbok nicht so interessant, um stundenlang auf Schotterpisten unterwegs zu sein.

 

Ich schottere los und erreiche nach sieben Kilometern die Hauptverkehrsachse. Auf der brause ich dann nach Norden. Viele Ortschaften hat es nicht auf meiner Strecke, weshalb ich mir beim Planen einen Imbissshop und einen Supermarkt herausgesucht habe, damit ich unterwegs mindestens etwas Wasser kaufen kann.

 

Als ich über einen kleinen Hügel fahre, sehe ich in weiter Ferne einen extrem langen Güterzug die Hauptstraße queren. Leider bin ich fast zu weit weg, um ein Foto dieser riesigen Güterschlange machen zu können. Auf jeden Fall imposant, wie lange die hier sind.

 

Der erste Stopp beim Imbissshop fällt ins Wasser. Das Gebäude sieht zwar fast neu aus, nur ist außer einer Coca-Cola-Werbung nichts von einem Shop zu sehen. Gähnende Leere.

 

Beim zweiten Stopp verlasse ich die Hauptstraße und fahre auf der Dorfstraße in Richtung Dorfmitte. Dabei passiere ich die Müllhalde der Siedlung. Der teils heftige Wind verteilt den Abfall der offenen Mülldeponie und hat ein weißes Tuch hochgewirbelt, das jetzt wie ein Brautkleid an einem Telefonmasten herumweht. Lustiger Anblick.

Im Dorf ist nicht viel los. Überall sitzen oder stehen Leute herum, die mir freundlich zuwinken. Beim kleinen Shop halte ich an und besorge mir ein Wasser. Dann geht es wieder zurück auf die Route nach Norden.

 

In regelmäßigen Abständen folgen kleine Picknickplätze neben der Fahrbahn, die etwas Schatten spenden. An einem dieser halte ich an und mache eine längere Pause.

 

In Springbok komme ich am frühen Nachmittag an. Die Ortschaft liegt etwas abseits der Hauptstraße, weshalb ich diese verlasse. Dabei fällt mir wieder diese Verkehrstafel mit dem durchgestrichenen S auf. Man könnte meinen, hier gibt es keine Dollars. Aber nein, die Tafel heißt absolutes Halteverbot. Und wie man auf dem Foto sehen kann, habe ich mich strikt an diese Verkehrsordnung gehalten.

 

Ich beziehe meine Unterkunft und fahre dann gleich zum Supermarkt, der als einziges Geschäft bis 17.00 Uhr offen hat. Gut, so kann ich meine Ess- und Trinkreserven für morgen auffüllen und mir ein leichtes Abendessen besorgen.

Mein Frühstück bestelle ich ohne Fleisch, was etwas verwunderte Gesichter produziert, aber problemlos machbar ist. So kriege ich etwas mehr Gemüse und Eier, was mir viel besser entspricht.

 

Wenn alles wie geplant läuft, bin ich heute Abend in Namibia in der Ortschaft Oranjemund. Die liegt mitten in der Wüste an der Mündung, wo der Fluss Oranje in den Südatlantik fliesst. Ich bin gespannt, wie der erste Grenzübertritt in Afrika verläuft. Wobei es zwischen Namibia und Südafrika eigentlich kein Problem geben sollte. Namibia ist zurzeit immer noch visafrei für uns Europäer. Ab April 2025 ist dann Schluss damit. Dann benötigen wir ein Visum, welches entweder direkt an der Grenze bezogen werden kann oder als E-Visa. Natürlich nicht kostenlos. Die logische Konsequenz, wenn die Schweiz und die EU für namibische Staatsbürger die visapflichtige Einreise nicht aufheben wollen.

 

Als Erstes rolle ich zur Tankstelle. Schon fast gespenstisch, wie niemand auf den Strassen im Dorf unterwegs ist. Am Sonntag ist hier gar nichts los.

 

Die ersten 60 Kilometer führt mich eine gut ausgebaute Teerstrasse über den Spektakel Pass in Richtung Meer. Vor allem auf der Talfahrt ist die Weitsicht super. Untern angekommen beginnt die knapp 100 km lange Schotterpasse der heutigen Strecke. Anfangs ist die Piste gut im Schuss und ich komme flott vorwärts. Das bleibt leider nicht lange so und je weiter ich komme, je schlimmer und länger werden die Wellblechabschnitte. Dazwischen gesellen sich sandige Passagen, die nicht leicht zu erkennen sind. Das drosselt mein Fahrtempo.

 

Kurz vor der Ortschaft Kleinsee biege ich auf den zweiten Teil des Schotterabschnittes in Richtung Norden ab. Das Wellblech wird weniger, dafür fordern mich die Sandabschnitte mehr.

 

Eine Stunde später erreiche ich die Teerstrasse, die ebenfalls von Springbok in die Küstensiedlung Porto Nollath ein. Da diese über keinen Pass führt, habe ich mich für meine Variante entschieden. Nun gut, für heute ist fertig geschottert.

 

In der Ortschaft habe ich mir ein Café – Restaurant herausgesucht. Jedoch rechne ich damit, dass es viele Leute hat. Es ist Sonntag und von Springbok hierher ist es auf der Teerstrasse nicht allzu weit. Das zieht sicher viele Besucher an. Umso mehr staune ich, dass überhaupt nichts los ist. Ich kann mir den Parkplätzen direkt am Meer aussuchen und so auch den Tisch auf der schattigen Veranda des charmanten Restaurants. Ich muss nicht einmal etwas zu Essen bestellen, sondern bekomme einfach einen Kaffee und ein kaltes Wasser und das zur besten Mittagszeit an einem Sonntag. Was für ein Luxus.

 

Bis zur Grenze sind von hier noch knapp 100 km, die ich auf einer ordentlichen Teerstrasse durch die Wüstenlandschaft abfahre. Ohne Teerstrasse wäre die Strecke garantiert eine schwierig zu befahrene Sandpiste. Ich frage mich aber schon, wieso diese Strasse geteert und gepflegt ist und andere Strecken, wo mehr Menschen leben viel Rumpelpisten auskommen müssen. Der Grund taucht kurz vor der Grenze auf. Es sind die Diamantenmienen. Hier wird wie im gegenüberliegenden Namibia im Sand nach den wertvollen Glitzersteine gebuddelt.

 

Die letzte Ortschaft in Südafrika heisst Alexander Bay. Ausser den Minen und dem Grenzposten hat es nichts. Von hier führen jedoch Sand- und Schotterpisten in den abgelegenen Ai-/Ais Richtersveld Transfrontier Park und zur einsamen Siedlung Sendelingsdrif, die am Oranje Fluss liegt. Von Namibia aus ist die Siedlungen über eine Fähre einfacher zu erreichen. Aber klar, jede Siedlung will durch Pisten oder Strassen im eigenen Land erreichbar sein.

 

Ich biege zum Grenzposten ab und steige vor der Schranke von der Honda. Ausser mir ist niemand da, was gut oder schlecht sein kann. Ich gehe ins erste Büro hinein, wo mich ein Polizist empfängt. Er schreibt das Kennzeichen meiner Honda auf und gibt mir einen Laufzettel. Damit soll ich ins gegenüberliegende Gebäude zur Immigration gehen. Gesagt getan. Dort wartet eine freundliche Grenzwächterin auf mich und stempelt meinen Pass und den Laufzettel innert einer Minute ab und schickt mich für die Ausfuhr der Honda zurück zum Polizisten. Diese schaut auf mein Carnet de Passage in meinen Händen und sagt, ich könne gehen. Ja super denke ich und verlasse auch gleich das Büro. Stimmt es also, dass die Grenzübertritte zwischen Südafrika, Namibia, Botswana, Lesotho und Eswatini viel einfacher sind, wenn man ein Carnet de Passage hat. Diese Länder sind alle in einer Zollunion verbunden und es reicht, wenn eines der Länder das Carnet bei der Einfuhr in die Union stempelt und dito für das Ausstempeln, wenn man über eines dieser Länder die Union verlässt.

 

Ein paar Meter später stoppt mich ein rotes Lichtsignal, welches den Verkehr über die einspurige Brücke über den Oranje Fluss regelt. Es steht extra auf einer Tafel angeschrieben, dass man erst bei grün fahren darf. Ich halte also an und warte und warte. Irgendwann schreit der Polizist vom Grenzbüro, ich soll fahren. Da bin ich froh und brause über die Brücke.

 

Der namibische Zoll ist genauso speditiv und freundlich wie der südafrikanische. Ich muss zwar einen Einreisezettel ausfüllen. Das dauert aber keine fünf Minuten. Dann bekomme ich den Stempel für drei Monate in meinen Pass und am Schalter daneben ein Durchwinken, weil ich das Carnet vorzeige. Mit dem Hinweis, dass ich im Gebäude beim Stopp beim Rausfahren die Strassengebühr bezahlen muss. Also rauf auf die Honda und die 100 Meter fahren und dann ins Büro, wo ich für drei Monate eine Strassengebühren von € 15.00 bezahlen muss. Die konnte ich sogar mit Karte bezahlen, wobei mir die Beamtin erklärt hat, dass ich in ganz Namibia auch mit Rand bezahlen kann. Umgekehrt jedoch nicht. Gut zu wissen, so muss ich für die Woche, die ich ungefähr bleibe, kein Geld besorgen.

Eine Haftpflichtversicherung ist in Namibia nicht zwingend, weshalb ich keine löse. Die medizinische Versicherung für Strassenunfälle bezahlt man hier also auch in Südafrika über den Benzinpreis. Einfaches System und alle sind bei einem Verkehrsunfall automatisch für die medizinische Versorgung versichert.

 

Ich fahre wieder los und denke mir gerade, wie einfach und speditiv der Grenzübertritt war, als vor der Honda das ersten Zeichen, dass Namibia früher eine deutsche Kolonie war, auftaucht. Auf der Gefahrentafel für viel Wind steht auf Deutsch WIND. Ich muss schmunzeln.

 

Meine Unterkunft in Oranjemund erreiche ich ein paar Minuten später. Die Ortschaft überrascht mich mit seinen grünen Alleen und ganz netten Dorfkern. Da habe ich jetzt was anderes in dieser Wüstenlandschaft erwartet.

Mein Ziel in Namibia ist der Fish River Canyon, der größte in Afrika und nach dem Grand Canyon der zweitgrößte der Welt. Vor zehn Jahren war ich mit meiner Familie einen Monat in Namibia mit dem Jeep unterwegs. Damals lag der Canyon für uns zu weit südlich, weshalb wir ihn nicht besucht haben. Das hole ich jetzt nach.

 

Von Springbok aus hätte ich direkt dorthin fahren können. Doch die Route über Oranjemund entlang des Oranje-Flusses reizt mich mehr, auch wenn sie einen Umweg bedeutet.

 

Bevor ich Oranjemund verlasse, tanke ich nochmals voll. Danach fahre ich für die nächsten Tage auf den letzten 80 Kilometer Teerstraße den ersten Teil entlang des Flusses. Teerstraßen sind in diesem Land eine Seltenheit. Die Strecke führt durch Diamanten-Minengebiet, weshalb alles links und rechts zu Sperrgebiet erklärt ist. Daran sollte man sich glaube ich besser halten.

 

Kurz vor Rosh Pinah biege ich ab und folge weiterhin dem Oranje-Fluss bis zur Siedlung Aussenwelt. Die Fahrt dorthin ist eine landschaftliche Offenbarung. Alle paar Kilometer halte ich an, um die beeindruckende Schönheit der Umgebung zu bewundern. Namibias Landschaft ist einzigartig. Ganz besonders auf dieser Strecke.

 

Schon bald begegnen mir fünf Jeeps mit Dachzelten. Vermutlich eine Reisegruppe, die im Konvoi unterwegs ist. Wenig später kommen mir zwei Motorradfahrer entgegen, gefolgt von einem Jeep mit einem Motorrad auf der Ladefläche – auch das wirkt wie eine Gruppe. Aber keiner hält an, nicht mal für einen kurzen Gruß. Einige Zeit später sausen zwei Enduros an mir vorbei mit Gepäcksystemen wie meinem. Auch sie halten nicht an. Schon komisch, wenn Motorradreisende nicht einmal mehr halten für einen Austausch.

 

Der Oranje führt nicht viel Wasser. Stellenweise wirkt es, als sei der Fluss beinahe ausgetrocknet. Doch dann schimmert wieder eine blaue Fläche hervor – woher auch immer dieses Wasser kommt.

 

Die Piste ist in gutem Zustand, meist leicht mit Sand oder feinem Kies bedeckt. Plötzlich entdecke ich Schlangenlinien auf der Piste, die wie Fahrradspuren aussehen. Sie führen kreuz und quer, sodass ich mir denke, dass niemand so chaotisch fahren würde. Doch drei Kurven weiter sehe ich in der Ferne eine gelb leuchtende Warnweste – also doch, ein Fahrradfahrer. Er schlängelt sich tatsächlich kreuz und quer über die Strecke. Dies vermutlich wegen der Schicht Sand und Kies, was das Geradeausfahren auf einem Fahrrad ziemlich erschweren muss. Ich hole ihn ein und halte neben ihm an. Er lacht mich an und stellt sich als Bruno aus Brasilien vor. Seit zwei Jahren ist er mit dem Fahrrad unterwegs und bald am Ende seiner Reise in Kapstadt angekommen. Wir plaudern ein wenig und bevor ich weiterfahre, frage ich ihn, ob er genug Wasser hat. Er nickt, und ich ziehe weiter.

 

Aussenwelt liegt in einer Ebene und als ich dort hineinfahre, begrüßen mich riesige Obstplantagen in sattem Grün. Nach über 100 Kilometern durch trockenes Wüstengebiet wirkt das wie ein skurriles Bild. Die Straße ist plötzlich wieder geteert, und ich rolle durch die Plantagen hindurch. Zwischendurch passiere ich die einfachen Behausungen der Plantagenarbeiter – ein ernüchternder Anblick, wenn man bedenkt, wie viel Geld hier einige mit den riesigen Plantagen verdienen.

 

Für die Nacht hat es nur eine Lodge direkt am Oranje, die recht teuer ist. Aber ich habe von einem anderen Motorradreisenden gehört, dass sie auch günstige Zeltplätze anbieten und man alle Einrichtungen der Anlage nutzen kann.

 

Eine Schotterpiste führt mich durch zwei Obstplantagen hindurch bis zur Lodge. Wau, das sieht edel aus! Kaum bin ich abgestiegen, werde ich freundlich empfangen. Auf die Frage nach Campingmöglichkeiten zeigt mir der Mitarbeiter eine kleine Fläche mit Wiese, die gerade bewässert wird. Er bietet mir stattdessen einen Einzelplatz zwischen zwei Bungalows an – mit Blick auf den Fluss. Perfekt.

 

Es sind kaum Gäste da, denn in den heissen Sommermonaten ist hier Nebensaison. Mir ist das nur recht.

 

Eine Stunde später sitze ich im Gartenrestaurant und genieße ein herrlich kühles, alkoholfreies Bier. Später kommen doch noch Gäste: ein Paar aus Lichtenstein und Kapstadt, das seit über 40 Jahren in Boston lebt, und die Schwester der Frau mit ihrem Mann. Wir unterhalten uns, bevor es ans Abendessen geht.

 

Währenddessen entschuldigt sich ein Angestellter bei uns – die Wasserpumpe ist kaputt, und es gibt kein fließendes Wasser. Stattdessen wird uns je Bungalow und Zelt ein großer Kanister mit Wasser zur Verfügung gestellt, damit wir uns waschen können. „Afrika life“, denke ich, und nehme es mit Humor.

 

Beim Eingang Fish River Canyon liegt ein Zeltplatz, der jedoch wegen seiner Lage überteuert ist. Zudem wird da kaum etwas los sein, weil nur wenige Touristen unterwegs sind. Eine weitere Möglichkeit wäre erneut bei einer Lodge, die 15 km vom Canyon entfernt liegt, auf dem Zeltplatz zu übernachten oder ich fahre in die kleine Ortschaft Grünau, wo ich bei einer abgelegenen Farm wieder einen Bungalow mieten könnte. Der Anfangsweg zum Canyon wäre von da einfach einiges weiter.

 

Ich entscheide mich für die abgelegene Farm in der Nähe von Grünau und buche mir dort die Unterkunft gleich für vier Nächte. So kann ich in einem Tagesausflug den Canyon besuchen und zwei Tage Pause einlegen.

 

Auf dem Weg dahin statte ich dem Camp im Ai-Ais-Park einen Besuch ab. Dieses liegt im Fish River Canyon. Von dort kann man mehrtägige Wandertouren unternehmen. Ich bezweifle jedoch, dass dies zu dieser Zeit jemand tut. 40 Grad sind einfach viel zu heiß und Schatten ist in Namibia eine Mangelware.

 

Ich bin früh wach und packe meine sieben Sachen zusammen. Danach bereite ich mein Frühstück zu, es gibt ganz afrikanisch Mais-Porridge. Heißt hier zwar in jedem Land anders, aber ist immer das Gleiche. Man kann es gut mit Wasser anrühren und zu meinem Glück schmeckt mir das gut.

 

Über die gestrige Teerstraße fahre ich etwas zurück in Richtung von gestern, bis die Abzweigung nach Norden folgt. Ab hier wird es für die nächsten 200 km ziemlich einsam. Außer dem Ai-Ais-Camp gibt es nichts weiter auf der Strecke. Dafür werde ich wie gestern von der namibischen Wüstenlandschaft verwöhnt. Einfach der Hammer, wenn man wie ich solche Landschaften gerne hat.

 

Bei einem Fotostopp kommt mir ein Jeep entgegen und wow, die halten sogar an. Ein junges Paar aus Deutschland, das auf einer Rundreise ist. Danach begegnet mir bis nach Grünau kein einziges Auto mehr.

 

Je näher ich dem Camp Ai-Ais komme, desto bergiger wird die Umgebung. Die letzten Kilometer dorthin geht es dann langsam hinunter in den Canyon. Entsprechend steigt die Temperatur nach und nach an. Das Camp hat nebst einem Hotel auch Zeltplätze und heiße Thermalbäder. Es muss also irgendwo Wasser geben. Entsprechend ist die Anlage schön grün. Beim Eingangstor werde ich gefragt, ob ich nur für einen Tag bleibe oder über Nacht. Ich antworte: nur für einen Drink. Er nickt und meint, ich müsse die Tagespauschale nicht bezahlen, ihm aber den mir ausgehändigten Zettel mit der angehefteten Quittung meines Getränkes wieder zurückbringen. Klar, das mache ich doch gerne.

 

Vor dem Hauptgebäude, wo der Empfang und das Restaurant untergebracht sind, stelle ich die Honda in den Schatten. Auf dem Zettel steht groß, dass man wegen der Affen kein Essen im Auto liegen lassen soll und dieses immer verschließt. Ich nehme deshalb sicherheitshalber meinen Tankrucksack mit meinen Snacks mit.

 

Außer mir ist wirklich niemand anderes hier, was mir auch die Frau am Empfang beteuert. Sie meint, dass die Anlage zwar offen ist, der Canyon jedoch für Wanderungen geschlossen sei. Es sei zurzeit lebensgefährlich, in dieser Hitze dort herumzuwandern. Das will ich zum Glück auch nicht, sondern nur ein kühles Wasser trinken. Beim Verlassen gebe ich wie gewünscht den Zettel mit der Quittung beim Tor wieder ab und verabschiede mich.

 

Die Piste bleibt bis zur Kreuzung zum Fish River Canyon Park gut. Ich biege hier jedoch nicht ab, sondern folge weiterhin der Piste, die kurz vor Grünau auf eine geteerte Hauptverkehrsachse trifft.

 

Die letzten 10 Kilometer werden dann etwas harzig, weil ich zweimal durch sandige Passagen fahren muss. Bei der letzteren wird zudem die Piste erneuert, was die Sache nicht einfacher macht, weil die Baumaschinen viel Material auf die Piste werfen.

 

Bei der einzigen Tankstelle in Grünau genehmige ich mir nachher ein weiteres kaltes Getränk und fahre danach die letzten 14 Kilometer auf der Teerstraße bis zur Abzweigung zu meiner Farm. Diese Anfahrtspiste hat es dann nochmals in sich und bringt mich beinahe zweimal zu Fall wegen des Sands. Beim Hauptgebäude erklären sie mir dann, dass ich noch weitere drei Kilometer fahren muss, bis mein Bungalow kommt und ich auf den losen Sand aufpassen soll, weil schon etliche Motorradfahrende gestürzt seien. Genau das, was ich am Schluss eines langen Schotterpistentages brauche. Es klappt aber besser als gedacht und zwei Stunden später bringt mir der Essensservice der Farm mein leckeres Abendessen zu meinem Bungalow hinaus. Was für ein Luxus.

Obwohl ich von den letzten Fahrtagen müde bin, mache ich mich heute auf den Weg zum Fish River Canyon. Hin und zurück sind es etwas mehr als 200 Kilometer, alles Schotterpiste. Es wird also wieder ein anstrengender Tag.

 

Die Farmpiste meistere ich ohne Probleme. An der Tankstelle in Grünau tanke ich voll und fülle meine Wasserreserven. Danach geht es auf die Piste in Richtung Keetmanshoop. Nach etwa 70 Kilometern folgt die Abzweigung zum Canyon.

 

Die Piste wäre an sich gut, wenn da nicht die vielen Senken wären, die gefühlt alle paar hundert Meter auftauchen. Egal, wie tief diese sind, ich muss immer mit Sand und Kies darin rechnen, der vom Wind und den Autos hineingetragen wird. In einer solchen Senke hatte ich in Argentinien einen Sturz, und seitdem bin ich besonders auf der Hut. Das Problem ist, dass man erst spät sieht, ob Sand da ist und wie tief er ist, merke ich oft erst, wenn ich darüberfahre. Das drosselt mein Tempo ziemlich.

 

Nach der Abzweigung zum Canyon wird die Piste schlagartig besser und auf den nächsten 40 Kilometern bis zum Eingang komme ich flott voran. Einmal springt eine Antilope einige Meter vor mir über die Straße und unter einem der wenigen Bäume steht ein Oryx, das jedoch schnell verschwindet, als ich abbremse.

Wie vermutet, ist das Camp am Eingang des Canyons verlassen. Nur die Parkangestellten sitzen im Schatten eines großen Baumes. Eine Frau steht auf, als sie mich hört, und zeigt mir, wo ich halten soll. Bei ihr löse ich das Eintrittsticket.

 

Danach geht es weitere zehn Kilometer bis zum Canyon, die ich mir auf der schlechten Wellblechpiste verdienen muss. Beim Hauptaussichtspunkt bin ich dann allein. Weit und breit sind keine anderen Besucher zu sehen. Ich setze mich unter einen der Schattenschirme und lasse die grandiose Aussicht auf mich wirken. Zwischendurch rollt ein Auto von einem anderen Aussichtspunkt heran, hält jedoch nicht an und fährt zurück zum Parkeingang.

 

Ich steuere die Honda ebenfalls zu einem weiteren Aussichtspunkt. Die Piste dorthin ist eine harte Steinpiste, die einem normalen PKW einiges abverlangen würde. Dort angekommen, gehe ich einige hundert Meter zu Fuß den Hügel hinauf. Ganz schön anstrengend mit den Motorradstiefeln bei fast 40 Grad. Zum Glück gibt es oben ebenfalls einen Strohschirm, der etwas Schatten spendet.

 

Zurück am Hauptaussichtspunkt fahre ich noch zu einem anderen Punkt auf der gegenüberliegenden Seite. Die Piste ist auch hier schlecht und fordert mich und die Honda in der Hitze heraus. Ich begnüge mich deshalb damit, nur bis zur Hälfte zu fahren, wo ich direkt bis an den Abgrund komme. Nach anderthalb Stunden in der sengenden Hitze mache ich mich auf den Rückweg. Gelohnt hat es sich allemal.

 

Etwa 15 Kilometer vom Parkeingang entfernt liegt die Canyon Roadhouse Lodge. Sie ist auch für Tagesbesucher geöffnet, und ich lege dort einen längeren Stopp ein. Die Anlage ist im Wild-West-Stil gestaltet und überall stehen alte Autos herum. Sieht witzig aus und zeigt, dass hier während der Saison viele Besucher sind. Sonst würde sich das wohl nicht rentieren.

 

Etwas abgekühlt und gestärkt mache ich mich wieder auf den Weg. Doch kurz darauf merke ich bei der Vorderbremse, dass etwas nicht stimmt. Ich halte an und stelle fest, dass die Befestigungsschrauben des Bremszylinders und Bremsgriffs sich durch die Erschütterungen der letzten Tage gelöst haben. Also wieder anhalten und in der Hitze die Schrauben anziehen. Es dauert zwar nicht lange, aber lange genug, um mir den Schweiß unter dem Helm hervorzutreiben.

 

Dann ziehen zum ersten Mal Wolken auf und spenden etwas Schatten. Das macht das Fahren auf der Piste mit den vielen Senken jedoch nicht einfacher, weil die Lichtverhältnisse dadurch schlechter werden. In der Ferne sind sogar Blitze zu sehen.

 

Die letzten 20 Kilometer bis Grünau fahre ich schließlich auf nasser Piste. Erst dachte ich, dass es schwierig werden könnte, aber das Regenwasser färbt den Boden rot, wo kein Sand oder Kies liegt. Sand und Kies bleiben beige, sodass ich den roten Spuren auf der Piste folgen kann. Dadurch komme ich problemlos und schneller durch alle Senken. Regen sei Dank.

 

Wieder im Bungalow freue ich mich auf zwei Ruhetage und das Nichtstun in dieser schönen Landschaft.

Route und Downloads

Track & POI meiner Route

Die GPX Datei enthält die POI von Kapstadt

Picture of Christian Feustle
Christian Feustle

Autor und Inhaber der Marke Motoglobe

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