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Mein Motorrad ist da

Mein Motorrad ist da

Die lehrreiche Zeit mit Arturo geht zu Ende und ich bin ihm dankbar, dass er mir nebst dem Auffrischen meines Spanisch auch etliches über Chile und wie es sich hier lebt vermittelt hat.

 

Weil länger nicht klar war, wann ich genau mein Motorrad erhalte, buchte ich vorsichtshalber etwas früher eine Unterkunft mit einer sicherem Garagenplatz. Das Gasthaus gehört einer chilenisch-schweizerischen Familie und liegt weit oben auf einem der Hügel von Valparaiso. Öffne ich die Vorhänge und das Wetter ist gut, erhalte ich eine Rundumblick über die Stadt und das Meer. Hinzu kommt eine Sonnenterrasse, auf der es sich mit einer Tasse Kaffee stundenlang aushalten lässt. Zwischenzeitlich ist Christian aus Deutschland eingetroffen, mit dem ich nach Hamburg gefahren bin. Und mit ihm drei weitere Motorradreisende. Steve aus Schottland, Ulrik aus Dänemark und Stefan auch aus Deutschland. die ebenfalls ihre Motorräder im Container über den grossen Teich geschickt haben. Der Zufall will es, dass sich die drei Biker ebenfalls in meinem Gasthaus einquartieren, während Christian in einem Hostal im Centrum schon länger eine Unterkunft gebucht hat.

 

Mittlerweile ist sicher, dass unsere Motorräder am 04.10.2022 bereit für die Abholung sind, wodurch wir zusammen die Tage bis dahin in der Stadt unterwegs sind. Langsam kommt auch das Soziale Leben in Valparaiso nach den bis vor kurzem noch geltenden Pandemie-Einschränkungen wieder in Schwung und am Sonntag findet eine Art Karneval mit vielen Trommelgruppen im Hafengebiet statt. Das lassen wir uns nicht entgehen und mischen uns unter die zahlreich erscheinende Bevölkerung von Valparaiso.

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Tags darauf regnet es erstmals seit drei Wochen. Wir lassen und die Stimmung aber nicht verregnen und gehen auf Erkundungstour. Durch einen längeren Fussgängertunnel gelangen wir zum einzigen echten Lift in Valparaiso, dem Ascensor Polanco. Er bringt uns hinauf auf die Aussichtsplattform des Liftturms und danach über eine Brücke zum Cerro Polanco. Wir durchstreifen die kleinen Gassen und steilen Strässchen und erblicken dabei wieder einige spezielle Graffitis.

 

Unten angekommen, zieht uns ein Yamaha Motorrad magisch an, weil es hubraummässig grösser ist als die meisten lokalen Motorräder. Beim Fachsimpeln fällt jemandem von uns die Beschriftungstafel eines Motorradclubs an der Hauswand auf. Da die Türe halb offensteht, gehen wir kurzentschlossen rein. Ein Glückstreffer, werden wir doch von zwei Mitgliedern des Clubs freundlich hereingebeten.

 

Voller Stolz erzählen sie uns von der 100-jährigen Clubgeschichte und zeigen uns dabei die unzähligen Bilder an den Wänden ihrer langjährigen Mitglieder und Clubpräsidenten und ein fast so altes Motorrad. Eine Stunde später verabschieden wir uns mit einem Eintrag in ihrem Gästebuch und bedanken uns für ihre spontane Gastfreundschaft.

Heute ist der Tag der Wahrheit und wir können unsere Motorräder abholen oder, wie wir rumscherzen, was davon übrig ist. Punkt 07.45 Uhr stehen wir vier vor unsere Unterkunft, wo uns Ronny, die Kontaktperson unsere Verschiffungsfirma, abholt. Jedenfalls hat er uns das per WhatsApp mitgeteilt mit dem Hinweis, es könnte später werden, da noch weitere Motorradreisende mitkommen. Und so stehen wir auch noch eine knappe Stunde später am gleichen Ort, bis er dann endlich im Schuss daher gerollt kommt. Ronny spricht Deutsch, lebt seit 25 Jahren in Chile und hilft seit vielen Jahren uns Motorradreisenden ihre Zweiräder durch die Zoll- und Hafen Bürokratie zu schleusen. Auf der Fahrt zum 100 km entfernten Hafengelände erklärt er uns den Ablauf des Tages. Dabei merken wir bald, dass wir glücklicherweise mit dem Papierkram nichts zu tun haben, aber dafür vermutlich unsere Geduld getestet wird. Beim Eingang zu unserem Hafensektor lässt uns Ronny raus und fährt gleich wieder ab, um einige Biker*innen an der Bushaltestelle abzuholen, die direkt von Santiago de Chile anreisen. Dazwischen trifft ein Taxi mit weiteren vier Motorradfahrenden bei uns ein und als Ronny wieder zurück ist, sind wir 12 Personen.  

 

Für das Betreten des Hafengeländes gelten in Chile ähnliche Regeln wie bei uns, weshalb alle eine Leuchtweste und einen Schutzhelm anziehen müssen. Danach marschieren wir im Pulk durch die Eingangskontrolle und weiter über definierte Fusswege in eine Halle. Beim Anblick der Motorräder erhellen sich unsere 12 Gesichter schlagartig. Jedes Augenpaar sucht sofort, dass im bekannten Motorrad und fixiert es danach mit einem Stechblick. Das funktioniert nicht bei allen, weshalb sie enttäuscht rufen, wo ist mein Motorrad? Ronny beruhigt und schickt sie eine Ecke weiter, von wo kurz darauf ihr erlösendes Gelächter herüberschallt.

 

Ich checke meine Honda und sie sieht noch genau so aus, wie vor zwei Monaten, als ich sie in Hamburg abgegeben habe. Cool und jetzt die Batterie wieder anschliessen und starten. Das funktioniert leider nicht, was mein fröhliches Gemüt etwas dämpft. Ratter, ratter, ratter und wieder kein lautes Brummen aus dem Auspuff. Aller guter Dinge sind vier (bei drei ging es nicht) und jetzt blubbert die Honda los. Super, sie läuft.

 

Als alle bereit sind, rollen wir aus der Halle zum Zollgebäude, wo wir die nächsten vier Stunden uns die Füsse vertreten dürfen. Dann endlich ist es so weit. Alle bekommen ihre Papiere und wir verlassen das Hafengelände. Auf dem angrenzenden Parkplatz halten wir nochmals und verabschieden uns voneinander. Einige fahren in den Norden von Chile und dann weiter nach Bolivien und Peru. Andere zieht es gleich in den Süden und mich zurück nach Valparaiso. Großartig konnte ich so viele Motorradreisende kennenlernen, zumal einige von uns eine ähnliche Route einschlagen und wir uns so bestimmt irgendwo wieder begegnen. Eine Stunde später parkiere ich die Honda in der Garage meines Gasthauses und bin froh, dass alles gut gelaufen ist.

 

Meine Abenteuerreise beginnt!

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Christian Feustle

Autor und Inhaber der Marke Motoglobe

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