
Lesotho ruft
16.02.2025 routen >> afrika hautnah
Ich entscheide mich, einen weiteren Tag in Graaff-Reinet zu bleiben. So habe ich genügend Zeit und da heute Sonntag ist, hat außer Tankstellen und Supermärkten ohnehin alles geschlossen – nicht gerade einladend, um den historischen Ortskern zu erkunden.
Nach dem Frühstück, das mir direkt ins Apartment geliefert wird, steht zuerst mein Reiseblog an. Danach faulenze ich ein wenig, bis mir einfällt, dass ich noch das Vorderrad ausrichten muss, damit das Herumeiern aufhört. Gedacht, getan – eine halbe Stunde später drehe ich eine Testrunde durchs Viertel. Die Korrektur war erfolgreich.
Anschließend spaziere ich zum Supermarkt, um mir etwas für das Abendessen zu besorgen. Vor dem Eingang hängen ein paar zwielichtige Gestalten herum und zum ersten Mal in Südafrika werde ich nach Geld gefragt – oder ob ich ein Bier kaufe und mit rausbringe. Andere reden auf Afrikaans auf mich ein, was ich nicht verstehe. Wie üblich in solchen Situationen laufe ich zielstrebig weiter und mache klar, dass ich nichts beisteuern kann.
Beim Rauskommen das gleiche Spiel. Jetzt nur noch: „Hast du das Bier gekauft?“ oder direkt die Hand aufgehalten für Geld. Eine Querstrasse weiter ist der Spuk vorbei und außer mir ist niemand auf der Straße. Sonntage in kleineren Orten haben in Südafrika oft etwas Gespenstisches.
Mein jetziges Apartment ist für die kommende Nacht bereits vergeben, weshalb ich umziehen muss. Das erledige ich direkt nach dem Frühstück, da meine neue Unterkunft schon bezugsbereit ist. Jetzt habe ich sogar einen kleinen Garten. Perfekt, um meine Wäsche zu waschen und an den Gartenmöbeln in der Sonne zu trocknen.
Dann breche ich auf, um mir den historischen Teil der Stadt anzusehen. Lange suchen muss ich nicht und ich stehe in einer ruhigen Seitenstraße, die gesäumt ist von alten, restaurierten Häuser, die in neuem Glanz erstrahlen.
Zurück auf der Hauptstraße im Zentrum entdecke ich ein Reifengeschäft und frage direkt nach Motorradschläuchen. Der Schlauch an meinem Vorderrad hat zwar über Nacht keine Luft verloren, aber ich traue der Sache nicht. Lieber vorsorgen, als später mitten in der Pampa feststellen, dass er doch undicht ist.
Ich werde freundlich begrüßt und als die Angestellten merken, dass ich kein Afrikaans spreche, wechseln sie sofort ins Englische. Leider haben sie keine Motorradschläuche, aber der Verkäufer empfiehlt mir eine Motorradwerkstatt zwei Straßen weiter. Keine fünf Minuten später halte ich dort einen neuen Vorderradschlauch in der Hand.
Später schlendere ich durch eine von großen Bäumen gesäumte Wohnstraße mit eleganten historischen Häusern. Am Ende lande ich in einem kleinen Viertel mit Cafés, Restaurants und Boutiquen. Perfekt für eine Kaffeepause.
Gegen Mittag bin ich zurück in meiner Unterkunft. Die Wäsche ist bereits trocken und ich kann sie direkt mit hineinnehmen. Danach plane ich meine Weiterfahrt. Das Bergkönigreich Lesotho ist nicht mehr weit und laut Wetterbericht stehen dort ein paar regenfreie Tage an – eine Gelegenheit, die ich nutzen möchte, regnet es doch in dieser Region ziemlich viel.
Am späten Nachmittag gehe ich in ein nahegelegenes Restaurant, das mir meine Gastgeberin empfohlen hat, und bestelle ein frühes Abendessen. Zurück in der Unterkunft mache ich mich fertig für die Fahrt zum Valley of Desolation, dem „Tal der Trostlosigkeit“. Die Natur hat hier eine bizarre Felslandschaft geschaffen und in den Abendstunden, wenn die untergehende Sonne die Formationen in warmes Licht taucht, ist die Aussicht besonders beeindruckend.
Das Gebiet ist ein Nationalpark, und wie so oft zahle ich als internationaler Tourist das Vierfache des normalen Eintrittspreises. Kurz darauf windet sich das Sträßchen den Berg hinauf und bietet immer spektakulärere Ausblicke. Plötzlich kommen mir sieben Harley-Davidson-Fahrer entgegen. Ich erkenne sofort, dass es Touristen sein müssen – sie fahren auf meiner Straßenseite! Der Vorderste schaut mich verdutzt an, bevor er abrupt nach links ausweicht, gefolgt von den anderen. Ich und ein paar der hinteren Fahrer müssen lachen.
Einige Kurven später erreiche ich den Aussichtspunkt über die Stadt. Ich steige ein paar Meter den Hügel hinauf und genieße die weite Sicht – Graaff-Reinet wirkt von hier oben wie ein Dorf und ich kann sogar meine Unterkunft erkennen.
Der Parkplatz zum Valley of Desolation liegt noch einige hundert Meter weiter oben. Ein etwa zwei Kilometer langer Rundweg führt mich zur Kante der Schlucht. Die Felswände ragen bizarr empor, dahinter erstreckt sich die weite Karoo. Ich setze mich hin und lasse den Anblick auf mich wirken. Wahnsinn. Erst später spaziere ich weiter zu den anderen Aussichtspunkten.
Erstaunlicherweise bin ich allein hier – bis mir auf dem Rückweg zum Parkplatz ein paar Einheimische mit Picknickkorb entgegenkommen. Meine Gastgeberin hatte mir erzählt, dass es hier Tradition ist, den Sonnenuntergang mit einem kleinen Picknick zu genießen.
Auf der Rückfahrt taucht die untergehende Sonne die Landschaft in ein einzigartiges Licht – eine Stimmung, wie sie nur in Afrika möglich ist und ich sie noch aus unserer Jeep-Reise durch Namibia in Erinnerung habe. Ich lasse mir Zeit, um das zu genießen. Erst viel später erreiche ich das Eingangstor des Parks und rolle zurück in die Stadt.
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Das Königreich Lesotho ist ein Bergstaat. Der tiefste Punkt liegt auf 1.400 Metern, und die höchsten Pässe sind über 3.000 Meter hoch. Für eine Reise durch diese Bergwelt ist gutes Wetter notwendig, was zurzeit eher schwierig ist, weil bis Ende März Regenzeit herrscht.
Für die nächsten Tage zeigt der Wetterbericht für Lesotho jedoch viel Sonne an, was ich nutzen möchte. Daher plane ich meine Route so, dass ich in zwei Tagen an der Grenze zu Lesotho bin. Unterwegs sind einige Gewitter gemeldet, weshalb ich mich für eine Strecke über geteerte Straßen entscheide.
Nach dem Frühstück tanke ich die Honda voll und mache mich auf den Weg. Erste Station ist ein kleines Dorf im Nirgendwo mit dem Namen New Bethesda. Hier lebte die Künstlerin Helen Martins, die ihr Haus in ein Kunstwerk aus Glas und Betonfiguren verwandelte. Inspiriert wurde sie von Licht, Träumen und mystischen Symbolen. Nach ihrem Tod wurde das Haus von der Gemeinde übernommen und zu einem Museum umgewandelt, das in Südafrika bekannt ist.
Mittlerweile führt eine geteerte Stichstraße durch die schöne Berglandschaft zum kleinen Dorf. Einmal mehr bin ich der einzige Besucher und kann mir das Haus und die Skulpturen in Ruhe anschauen. Im Gegensatz zu den eher farblosen Skulpturen aus Beton im Garten erscheint das Innere des Wohnhauses durch die farbigen Fenster bunt und heiter.
Nach einer Stunde sitze ich wieder auf der Honda. Für die Strecke zurück auf die Hauptverkehrsachse nehme ich jetzt eine Schotterpiste, die in einem sehr guten Zustand ist.
Angekommen auf der Hauptverkehrsachse rolle ich zugleich auf den Lootsberg Pass zu, von dem aus ich oben eine tolle Sicht zurück in die weite Ebene habe. Für das Foto muss ich zugunsten der Honda auf ihr sitzen bleiben, weil mittlerweile ein heftiger Wind weht.
Vor mir wird es am Himmel immer dunkler, und in der Ferne leuchten Blitze auf. Die vorhergesagten Gewitter sind im Anflug. Mal schauen, ob und wie nass ich werde. Kurz bevor ich in die Gewitterzone hineinfahre, biegt meine Route nach rechts ab und vor mir sieht es wieder heller aus. Links und rechts bleibt es jedoch düster und ich sehe immer wieder Blitze auftauchen. Das schafft eine spezielle Stimmung, da zwischendurch die Sonne die reizvolle Landschaft erhellt. Und so wird meine restliche Fahrt bis nach Burgensdorf, wo mein Nachtlager wartet, sehr abwechslungsreich.
Zu meiner Unterkunft gehört für einmal eine Garage dazu, was genau heute super passt. Kaum steht die Honda nämlich in der Box, beginnt es heftig zu regnen. Meine Gastgeberin meint, das sei nötig, da es für diese Jahreszeit bisher zu wenig geregnet hat. Ich bin nur froh, dass es erst jetzt so richtig niederschüttet.
Mein Frühstück bereite ich für einmal wieder selbst zu. Danach bepacke ich die Honda und fahre los. Wenn alles gut läuft, bin ich heute Nachmittag in Lesotho.
Nach 50km gelange ich nach Aliwal North, der letzten grösseren Ortschaft vor der Grenze zu Lesotho. Das Ortsbild ist anders als gewohnt. Überall sind viele Leute unterwegs und es hat Verkaufsstände links und rechts der Strasse. Auch mitten im Zentrum ist hier viel mehr Betrieb. Es fällt mir auch auf, dass der Ort fast ausschliesslich von der schwarzen Bevölkerung bewohnt ist.
Bei der Tankstelle biege ich ein und werde von einem sehr netten Tankwart begrüsst. Er strahlt über sein ganzes Gesicht und fragt mich, woher ich komme und wohin ich reise. Wir plaudern ein wenig, bis der Tank voll ist. Er passt zum Glück besser auf, als der Tankwart vor ein paar Wochen, der beim Plaudern nicht bemerkt hat, dass der Tank voll ist und eine grosse Menge übergelaufen ist. Ich bezahle und parkiere die Honda ein paar Meter weiter neben den Eingang zum kleinen Café-Shop der Tankstelle. Ein paar Minuten später habe ich einen feinen Cappuccino in der Hand und lehne mich an die Honda, da es im Shop selbst keine Sitzgelegenheiten hat.
Der Tankwart hat zwischenzeitlich seinen Kollegen erzählt, woher ich komme, was diese dazu bewegt, nach und nach alle bei mir vorbeizukommen und mit mir zu plaudern. Ich frage sie dabei auch alle, wie es ist hier zu leben und ob es ihnen gefällt. Alle quittieren meine Frage einstimmig mit, es gefällt uns. Wir haben eine Arbeit und es in der Ortschaft sicher. Ich erwähne, dass ich sonst eher höre, dass es unsicher ist, worauf sie antworten, dass die Kommune in der Ortschaft gut organisiert sei. Schön zu hören, dass es in Südafrika doch auch Gebiete gibt, wo die Kriminalität nicht eines der Hauptthemen der örtlichen Bevölkerung ist.
Etwas später rolle ich aus der Ortschaft hinaus in Richtung Grenze. Ab hier werden die Siedlungen und Häuser plötzlich anders. Es tauchen die ersten Rondavel Häuser auf, die weit verstreut in der Landschaft verteilt sind. An der Strasse hat es alle paar Kilometer einige Geschäfte, wo eingekauft werden kann. Dadurch sind viel mehr Menschen zu Fuss unterwegs. Schon lustig, wie auf einigen Kilometern das Dorfbild so ändern kann.
Dann erreiche ich den südafrikanischen Grenzposten, wo nichts los ist. Einige Polizistinnen sitzen gelangweilt herum und schauen mich an. Ich stelle meine Honda ab und frage nach der Immigration. Eine der Beamtin zeigt auf eine Türe, wo ich hineingehe. Hinter dem Schalter sitzt ein Mann in Tarnanzug. Er schaut meinen Pass an und fragt, ob ich aus der Schweiz komme. Ich nicke und er meint, Shaqiri sei ein guter Fussballer. Ich muss lachen und frage ihn, woher er ihn kenne. Er meint darauf hin, dass er viel englischen Fussball schaue und Shaqiri in England gespielt habe. Dann knallt er auch schon der Ausreisestempel in meinen Pass. Auf meine Frage, ob ich noch irgendwo mein Carnet zeigen muss, wedelt er nur mit der Hand und meint, ich soll einfach losfahren, dass sei schon ok. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen. Mein Carnet ist ja richtig gestempelt und von Lesotho komme ich wieder zurück nach Südafrika.
Über eine schmale Brücke, die mich über den Telle Fluss bringt, gelange ich zum Grenzposten von Lesotho. Ein in Zivil gekleideter Mann kommt auf mich zu zeigt mir, wo ich die Honda parkieren kann. Anschliessend schreibt er meinen Namen, Passnummer und Nationalität in ein Buch und sagt zu mir, dass ich ins Haus gehen soll, wo die Immigration sei. Dort treffe ich auf eine Beamtin, die fast am Einschlafen ist. Als sie mich sieht, rauft sie sich zusammen und begrüsst mich mit einem breiten Lachen. Sie fragt, weshalb ich nach Lesotho komme und wie lange ich bleiben möchte. Ich erzähle ihr, dass ich viel von der Schönheit ihres Bergstaates gelesen habe und gerne für drei Wochen bleiben möchte. Sie schaut mich verdutzt an und fragt drei Wochen? Was willst du denn so lange hier machen? Ich sage, dass ich gerne genügend Zeit zur Verfügung habe, um in Ruhe durch ihr Land zu reisen. Sie nickt und sagt, sie gebe mir gerne vier Wochen Zeit. Ich bedanke mich und frage, wo ich hingehen muss, um mein Carnet de Passage für die Honda zu zeigen. Sie zuckt mit ihren Schultern und meint, sie habe keine Ahnung und ich soll einfach zur Schranke fahren, da werde es sich es dann schon erledigen. Ich gehe schmunzelnd zurück zur Honda und fahre zur Schranke. Dort sitzt ein Mann und verlangt Rand 90 (€ 4.50) für die Strassengebühren. Ich bezahle und schon geht die Schranke auf. Wegen der Einfuhr der Honda interessiert sich niemand. Darüber bin ich nicht betrübt, weil das viel Zeit erspart. Lesotho gehört ebenfalls zur Zollunion, weshalb mein von Südafrika abgestempeltes Carnet auch hier gültig ist. Sollte ich also irgendwo in eine Kontrolle kommen, ergibt das keine Probleme.
Das ging wie beim Grenzübertritt nach Namibia viel schneller als gedacht und schon bin ich in Lesotho. Das erste Wellblechhaus an der Strasse ist ein Vodafone Shop. Ich halte und gehe hinein. Vier Frauen sitzen drin und schauen in ihre Handys. Ich frage, ob ich eine SIM-Karte kaufen kann, worauf eine aufschaut und nickt. Sie bietet mir einen Stuhl an und fragt nach meinem Pass. Dann geht der etwas länger dauernde Erfassungsprozess an. Eine der anderen Frauen fragt mich dazwischen, wo ich als nächstes hinfahre, worauf ich antworte, ins nächste Dorf, wo es ein Guesthouse hat. Sie nickt und meint, die Besitzer kenne ich sicher, die seien nämlich auch Weisse. Ich lache und antworte, dass dies kaum möglich sein, da ich nicht aus Südafrika bin und hier niemanden kenne. Nach einer Stunde ist der Erfassungsprozess beendet und ich habe für € 3.00 eine SIM-Karte und 2 GB Daten für eine Woche erhalten.
Wieder auf der Enduro gelange ich ein paar Kilometer später zu meiner Unterkunft. Das Besitzerpaar ist wie die Frauen im Vodafone Shop erwähnt haben weiss und kommt aus Südafrika. Das scheint hier doch eher eine Ausnahme zu sein, dass die Frauen das so explizit erwähnt haben. Nebst dem Guesthouse betreiben sie auch den Laden im kleinen Ort. Das Guesthouse liegt etwas abseits der Strasse, wo ich ein riesiges Zimmer für wenig Geld bekommen. Ich ziehe mich um und gehen anschliessen zurück zum Laden und bezahle die Übernachtung. Dabei bekomme ich den Tipp, dass der Imbissladen gegenüber feinem Huhn mit Pap und Gemüse zubereite. Ich gehe hinüber und bestelle mir eine Portion, die ich danach am Tisch in meiner Unterkunft verköstige.
Die Wettervorhersagen stimmen und heute scheint die Sonne für meine erste Fahrt durch Lesotho. Mein Ziel ist Semonkong, wo sich der Maletsunyane-Wasserfall, der zweithöchste Wasserfälle Afrikas, befindet.
Auf der Karte beim Planen war gut ersichtlich, dass es eine Achterbahnfahrt durch die Bergwelt gibt. Höchster Punkt wird ungefähr bei 2.600 Metern sein. Die Strecke ist mit knapp 150 km nicht lang und so kann ich mir ausgiebig Zeit lassen.
Nach dem Start taucht schon bald der altbekannte Oranje Fluss auf, der im Hochland von Lesotho entspringt. Hier hat er einiges mehr an Wasser als in Namibia, wo ich ihm das erste Mal gefolgt bin. Die Fahrt entlang des Flusses durch die grünen Hügel und Berge ist abwechslungsreich und ich werde nach jeder Kurve von einer einmaligen Landschaft verwöhnt.
Den höchsten Punkt erreiche ich auf der Passhöhe des Lebelonyane Pass. Die Aus- und Weitsichten von der Passstraße sind einfach nur gewaltig. Lesotho hält bereits auf den wenigen Kilometern, die ich gefahren bin, was es verspricht.
Für die Honda gibt es einiges zu tun, sind doch die Straßengefälle extrem. Oft geht es einfach geradeaus nach oben, was dem Honda Motor einiges abfordert. Eilig habe ich es aber zum Glück nicht und so kann ich beim gemächlichen Tempo die Landschaft genießen.
Aufpassen muss ich vor allem auf die Leute, die überall zu Fuß am Rande der Straße unterwegs sind. Oft werden sie von zwei, drei Nutztieren wie Schafen, Eseln oder Kühen begleitet. Manchmal steht auch eine kleine Kuhherde hinter einer Kurve, wo mich dann alle Kühe staunend anschauen und dann wie wild in alle Richtungen davonrennen, weil in diesem Land kaum Motorräder unterwegs sind.
Etwa 50 km vor Semonkong überquere ich ein letztes Mal den Oranje Fluss. Für die Überquerung geht es zuerst wieder steil nach unten und dann im gleichen Stil wieder hinaufzukurven. Die Berg- und Talfahrt erinnert mich an Peru, wo es ebenfalls immer rauf und runter ging. Nur sind die zu überwindenden Höhenmeter hier in Lesotho einiges gemäßigter als im Andenstaat.
Kurz vor Semonkong verläuft die Straße der spektakulären Maletsunyane-Schlucht entlang. In diese stürzt sich auch der gleichnamige Wasserfall, den ich besuchen will. Doch zuerst bietet sich mir von der Straße aus einem sensationellen Blick über die Schlucht und den ebenfalls wunderschönen Boala-Thapo-Wasserfall. Ich steige vom Motorrad und setze mich auf einen Stein. Es dauert nicht lange, bis jemand zu Fuß mit seinem Lastesel bei mir vorbeiläuft. Wir grüßen uns. Englisch ist hier nicht so verbreitet, weshalb Bewohner in den abgelegenen Dörfern nur ihre lokale Sprache sprechen, sodass ich mich nicht mit allen unterhalten kann.
Keine fünf Minuten später taucht die nächste Person auf. Er grüßt ebenfalls und sagt „Foto, Foto“. Ich nicke. Er bleibt stehen und lacht mich an. Dabei fällt mir auf, dass er ein Solarpanel über die Schultern trägt. Ich zeige darauf, worauf er sein Handy hervorholt, welches mit einem Kabel am Solarpanel angeschlossen ist. Clevere Idee, denn ohne Sonnenenergie würde er kaum Strom für das Smartphone bekommen. Woher er jedoch in dieser abgelegenen Gegend das Solarpanel ergattern konnte, bleibt mir schleierhaft.
Wieder auf dem Motorrad verlasse ich in Semonkong ankommend die Teerstraße und schottere über die miese Piste der Einkaufsmeile der kleinen Ortschaft. Es ist viel los und ich muss aufpassen, dass ich keine Menschen oder Tiere ramme. Meine Unterkunft liegt etwas außerhalb der Ortschaft und ist nur über eine Schotterstraße erreichbar. Deshalb muss ich durch diese geschäftige Piste fahren. Als es wieder etwas ruhiger wird, steht noch eine kleine Flussüberquerung an, die gar nicht so einfach ist, wie sie aussieht, weil der Untergrund morastig ist. Danach geht es steil zu einem Fluss hinunter, wo ich über eine Brücke auf der anderen Seite die Lodge erreiche. Dieser Weg wird von der einheimischen Bevölkerung, die auf der Flussseite der Lodge in einem der Dörfer wohnen, rege für ihre Einkäufe in der Ortschaft genutzt. Es ist also auch hier immer was los und ich muss auf die Esel und Pferde aufpassen, die teilweise stark erschrecken, wenn sie mein Motorrad hören.
In der Lodge habe ich mir für zwei Nächte ein Zimmer reserviert. Die sind zwar überteuert, aber eine andere brauchbare Unterkunft für die Besichtigung des Wasserfalls gibt es nicht. Sie haben das Monopol. Dafür ist das Zimmer komfortabel und bietet sogar eine kleine Veranda zum Draußenverweilen an.
Irgendwann gegen Abend höre ich ein Motorrad heranfahren. Beim Abendessen sehe ich einen jüngeren Mann allein an einem Tisch sitzen. Ich gehe zu ihm hin und frage, ob er mit dem Motorrad unterwegs ist. Er nickt und wir stellen uns gegenseitig vor. Er kommt aus Frankreich und ist für drei Monate in Südafrika unterwegs. Zwei Monate davon war er in Kapstadt und hat sich jetzt für die letzten vier Wochen ein Motorrad gemietet und düst damit ziemlich viele Kilometer herum. Er offeriert mir den freien Platz an seinem Tisch, was ich dankend annehme, und tauschen wir uns aus, bis das Restaurant um 22:00 Uhr schließt, weil ab dann jeden Tag der Strom bis morgens um 08:00 Uhr in der gesamten Ortschaft abgeschaltet wird. Da bin ich froh, dass ich meine Stirnlampe mit dabeihabe, sonst wäre das zu Bett gehen etwas gar dunkel geworden. Die Lodge bietet zwar Kerzen an, aber diese geben nicht gerade viel Licht her.
Zum Maletsunyane Wasserfall sind es 5 km, also etwas mehr als eine Stunde. So gegen 10:00 Uhr mache ich mich auf den Weg. Gemäß dem Mitarbeiter in der Lodge kann ich den Weg nicht verfehlen. Oder sonst soll ich einfach jemanden fragen. Es seien immer Leute auf dem Weg unterwegs.
Und so ist es dann auch. Der Weg zum Wasserfall ist auch gleich der Weg für viele Einheimische, die in einem der umliegenden Dörfer leben. Morgens marschieren die meisten in Richtung Semonkong und nachmittags zurück in ihre Dörfer. Entsprechend kommen mir auf dem Weg zum Wasserfall viele entgegen und beim Rückweg zur Lodge ebenfalls.
Den Weg kann ich wirklich nicht verpassen. Wie eine Fußgängerautobahn pflügt sich der Weg durch die Natur und auch über einen kleinen Fluss. Der hat glücklicherweise nicht so viel Wasser, sodass ich ohne nasse Füße rüberkomme.
Langsam öffnet sich links von mir die riesige Maletsunyane-Schlucht, in die ich schon gestern vom Aussichtspunkt von der Straße aus hineinblicken konnte. Allzu weit kann es also nicht mehr sein. Etwas weiter vorne erscheint eine weiße Wellblechhütte. Vor dieser sitzt eine Person mit orangen leuchtenden Hosen, wie bei uns die Gleisbaumitarbeiter der Bahn tragen. Als ich näherkomme, steht er auf und ruft mir zu, dass ich mich eintragen muss. Ich gehe also zu ihm rüber und trage mich in ein Buch ein. Danach verlangt er 130 Rand Eintritt von mir. Dafür bekomme ich sogar eine offizielle Quittung vom Tourismusbüro Lesotho. Anschließend erwähnt er, dass ich nach dem Maisfeld vor mir den Weg nach links nehmen soll.
Zehn Minuten später marschiere ich dem Schlucht Rand entlang und kann den Wasserfall hören. Und nach ein paar weiteren Metern taucht er auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht auf. Wow, was für ein Anblick. Ein fast perfekt symmetrischer Wasserfall, der sich 192 Meter ununterbrochen in die Tiefe stürzt und in eine ebensolche beeindruckende Schlucht eingebettet ist. Ich setze mich auf einen Stein und lasse diesen unvergesslichen Anblick mehr als eine Stunde auf mich wirken. Während dieser Zeit taucht niemand anderes auf.
Das gilt auch für den Rückweg. Außer den Einheimischen, die unterwegs zurück in ihre Dörfer sind, sind keine Touristen unterwegs. Passt zum Bild, dass die Lodge ebenfalls kaum Gäste hat. Wieder in der Lodge esse ich einen Happen und relaxe anschliessenden den Rest des Tages.
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