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Lesotho - das Dach Afrikas

Lesotho - das Dach Afrikas

22.02.2025 routen >> afrika hautnah

Für den Nachmittag sind Gewitter und viel Regen angesagt. Ich plane deshalb eine kürzere Strecke bis in die Nähe von Maseru, der Hauptstadt von Lesotho. Für Morgen sind die Aussichten besser und ich sollte dann weiter auf meiner vorgesehenen Route durch die Bergwelt ins Landesinnere kurven können.

 

Ich könnte auch einen Tag länger in der Lodge bleiben, jedoch sind die Zimmerpreise überrissen hoch, weshalb ich besser weiterziehe. Ich packe also meine 20 Sachen zusammen, bezahle meine gesalzene Rechnung und holpere den steilen Aufstieg hinauf, der glücklicherweise trocken ist, und fahre durch den noch verschlafenen Markt von Semonkong auf die Hauptstraße.

 

Den höchsten Punkt auf 2.700 Metern meiner heutigen Strecke erreiche ich nach gut einer halben Stunde Fahrt. Ganz schön kühl hier oben mit den dunklen Regenwolken. Ich halte an und ziehe ein erstes Mal auf meiner Reise meine Regenjacke an und schließe alle Lüftungsreißverschlüsse an meiner Motorradhose und Jacke. Das düstere Wetter kann der einmaligen Landschaft jedoch nichts anhaben. Immer wieder halte ich an und staune über das, was die Natur geschaffen hat.

 

Ich überquere eine weitere Passhöhe, die keinen Namen hat, und kurve auf der Talfahrt schnurstracks in eine dicke Nebelsuppe hinein. Im Nu sehe ich kaum mehr etwas und muss höllisch aufpassen, dass ich die Hirte und ihre Tiere auf der Straße nicht übersehe.

 

Jede Nebelsuppe hat auch ein Ende und dieses erreiche ich, als die Straße weiter abfällt in Richtung Maseru, das gut 1.000 Meter tiefer, aber immer noch auf 1.600 Metern liegt.

 

Roma ist die erste größere Ortschaft vor Maseru und besteht eigentlich nur aus einem riesigen Universitätsgelände. Bei der örtlichen, zu meiner Überraschung sehr modernen Tankstelle, lege ich einen Tank- und Pausenstopp ein. Alle Mitarbeitenden sind nach ihrem Alter zu urteilen Studenten, die ihren Unterhalt verdienen müssen. Der mich bedienende Tankwart fragt mich, woher ich komme und was ein Flugticket in die Schweiz kostet. Ich getraue mich kaum, ihm den Preis zu nennen, wobei die Jungen vermutlich gut Bescheid wissen über das Einkommensgefälle zwischen Afrika und Europa. Also sage ich ihm den Preis, worauf er lacht und meint, da müsse er noch eine Weile an der Tankstelle arbeiten. Humor hat er.

 

Meine Unterkunft liegt in einem ruhigen kleinen Ort, einige Kilometer vor Maseru. Über Booking.com habe ich das Guesthouse gefunden, das sich als kleines Juwel herausstellt. Die Anlage ist super gepflegt mit einem riesigen Garten, wo heute eine Party stattfindet. Entsprechend ist der Parkplatz rammelvoll. Der Security Guard findet aber noch einen guten Platz für die Honda. An der Rezeption erfahre ich, dass es sich um eine Verlobungsparty handelt, die nur bis 18:00 Uhr dauern würde. Ich bekomme meinen Zimmerschlüssel und hole mein Gepäck. Dabei spricht mich einer der Partygäste an. Ihm gehört die BMW, die ich beim Hereinfahren gesehen habe. Wir plaudern kurz. Er erzählt mir, dass das Verlobungspaar aus Lesotho und England kommt und er aus Südafrika, in der Nähe von Johannesburg. Er hätte auch schon eine Motorradreise bis nach Kenia unternommen. Viel mehr Zeit zum Weiterreden bleibt dann leider nicht, weil er zurück zur Party muss.

 

Abends beim Essen werde ich von der Besitzerin des Guesthouses begrüßt. Wie das Verlobungspaar heute Nachmittag kommt sie aus Lesotho, ihr Mann aus England. Er erscheint zeitgleich mit einem holländischen Paar, das ebenfalls hier übernachtet und für einige Wochen mit einem Mietauto unterwegs ist. Nach dem Essen kommt der Mann der Gastgeberin zu uns an den Tisch und erzählt uns einiges über Lesotho und wie sich die Dinge in den letzten 50 Jahren verändert haben, seit er hier wohnt. Schön war auch zu hören, dass das Guesthouse seiner Frau gehört und er andere Geschäfte aufgebaut hat.

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Das Wetter in Lesotho ist durch die Lage und den vielen Bergen kaum voraussagbar. Entsprechend ändert der Wetterbericht alle paar Stunden seine Vorhersagen. Ist nicht gerade eine über die ganze Region gemeldete Regen- oder Schönwetterfront vorhanden, muss ich unterwegs mit allem rechnen.

 

So auch heute. Grundsätzlich sieht es nach Wolken mit Sonne aus. Ich überquere aber drei hohe Pässe. Warten auf eine richtige Schönwetterphase ist um diese Jahreszeit kaum möglich. Ich düse also los und bin auf alles gefasst.

 

Beim ersten großen Stausee, dem Mohale Dam, angekommen, überlege ich mir, die Fahrt hinunter zum Damm zu machen, die mir ein Bekannter empfohlen hat. Andererseits schwirrt in meinem Hinterkopf herum, dass ich heute das bis jetzt gute Wetter ausnutze und anstatt bis nach Thaba-Tseka noch weiter bis zum Katse Dam fahren könnte. Zum Katse Dam von Thaba-Tseka aus führt eine ca. 50 km lange Schotterpiste, die bei nassen Verhältnissen vermutlich schwierig zu befahren ist.

 

Ich entscheide mich deshalb gegen die Fahrt hinunter zum Mohale Dam und kurve weiter. Nach einer weiteren Talfahrt gelange ich in die Ortschaft Mantsonyane. Anfangs präsentiert sich die Siedlung wie alle anderen in Lesotho bis dann am Dorfende ein riesiges Fussballstadion auftaucht. Etwas ungläubig frage ich mich, ob das wirklich ein Stadium ist und was in aller Welt dieses riesige Ding hier soll. Es stellt sich dann heraus, dass es Teil einer grossen Schule ist, die durch die Katholiken erbaut wurde und immer noch wird. Dazu gehört auch ein Hospital. Missionieren im modernen Stil.

 

Thaba-Tseka erreiche ich nachmittags um 13.00 Uhr. Es bleibt also noch genügend Zeit, um die Schotterpiste in Angriff zu nehmen, und das Wetter hält weiterhin. Also biege ich kurz vor der Ortschaft auf die Piste ab. Bereits nach einigen Kilometern bin ich über meine Entscheidung froh. Die Piste ist nämlich ausgefahren, mit unzähligen Löchern versehen und hat lehmige Abschnitte, die bei Nässe schwierig zu fahren wären.

 

Für die 50 km brauche ich einiges länger als gedacht, weil der Zustand einfach nur schlecht ist. Dann schwirrt auch noch die Botschaft des Engländers von gestern Abend in meinem Kopf herum, der meinte, auf dieser Strecke sei letztes Jahr eine Brücke eingestürzt und diese sei seines Wissens noch nicht repariert worden. Je mehr ich von den 50 km gefahren bin, umso mehr frage ich mich, ob diese eingestürzte Brücke noch kommt oder ob sie eben doch schon repariert wurde und ich bereits darüber gefahren bin.

 

Und wie es dann so ist, kommt die eingestürzte Brücke kurz vor meinem heutigen Ziel. Die einheimische Bevölkerung hat jedoch sich selbst geholfen und eine behelfsmäßige Furt durch den Bach gebaut, wo ich ohne Probleme durchkomme. Da bin ich nicht unglücklich darüber.

 

Kurz vor dem Damm gelange ich wieder auf die Teerstraße und fahre in die kleine Ortschaft oberhalb des Stausees und der Staumauer. Hier gibt es ein Guesthouse, das in einer der WhatsApp-Gruppen erwähnt wurde. Ich finde es auf Anhieb und bekomme ein Zimmer mit Frühstück. Im angeschlossenen Restaurant kann ich anschließend ein Abendessen bestellen. Außer mir übernachten noch einige Mitarbeiter einer Energie-Firma im Guesthouse, und so ist das Restaurant beim Essen ganz gut gefüllt.

Das Klopfen der Regentropfen auf ein Wellblechdach plus das Tageslicht, das durch die Vorhänge dringt, weckt mich auf. Es ist 06:00 Uhr. Viel zu früh, um aufzustehen. Ich versuche also, noch etwas weiterzudösen.

 

Der Regen wird jedoch stärker, und somit auch der Lärm des Wellblechdaches. Nun gut. Ich werfe einen Blick auf das Regenradar, in der Hoffnung, dass es nur ein vorübergehender Schauer ist. Leider nein – eine ganze Regenfront zieht über das Bergland, und zwar den ganzen Tag. Das wird wohl nichts mit Weiterfahren heute. Auf meiner Route liegen nämlich wieder zwei hohe Pässe, einer davon über 3.000 Meter hoch.

 

Ich lese ein wenig und gehe um 08:00 Uhr frühstücken. Dabei frage ich die Mitarbeiterin des Guesthouses nach dem Wetter. Sie zieht eine finstere Miene und sagt, es wird den ganzen Tag regnen und kalt sein. Ich entschließe mich daher, noch eine Nacht zu bleiben. Im Frühstücksraum erwarten mich dann an die 30 Grad. Die Klimaanlage wurde als Heizung umgestellt und bläst nun volle Wärme in den kleinen Raum. Da kriege ich gleich Hitzewallungen!

 

Als ich wieder ins Zimmer zurückkomme, wird es gerade gereinigt. Ich packe meinen Laptop und setze mich ins Restaurant. Zurück im Zimmer, stelle ich fest, dass die Mitarbeiterin den Elektroheizer mit voller Kraft eingeschaltet hat. Etwas unverständlich – überall in Lesotho wird zum Stromsparen aufgerufen, weil die Versorgung schwierig oft unterbrochen ist. Andererseits laufen hier sowohl die Klimaanlage als Heizung als auch ein Elektroheizer. Zwei Stromfresser. Zudem haben alle Betten Heizdecken für die kalten Wintertage, was ebenfalls Stromfresser sind. Das passt nicht zusammen. Ich finde es ohnehin nicht so kalt und stelle den Heizer aus.

 

Am Nachmittag fällt mir ein, dass mein Bekannter, der mir die Fahrt hinunter zum Mohale Dam empfohlen hat, auch meinte, ich könne die Katse-Staumauer von innen besichtigen. Diese Talsperre war lange die größte in Afrika, bis sie von einem Damm in Äthiopien übertroffen wurde. Ich frage die Mitarbeiterin des Guesthouses, ob sie weiß, ob eine Besichtigung möglich ist. Sie schüttelt den Kopf. Danach recherchiere ich im Internet und finde heraus, dass täglich um 09:00 und 14:00 Uhr Führungen stattfinden. Mist, da bin ich jetzt zu spät dran. Einfach hinzugehen und nachzufragen ist wegen der drei Kilometer Distanz im Regen auch nicht sonderlich verlockend. Also verbringe ich den Rest des Tages mit Lesen und Entspannen.

Heute weckt mich zum Glück kein Regen, sondern nur das Tageslicht. Beim Frühstück lächelt mich die Mitarbeiterin an und meint, heute werde es ein guter Tag. Das freut mich. Einen weiteren Tag möchte ich sowieso nicht bleiben, also packe ich meine Honda. Und tatsächlich – die dunklen Wolken weichen langsam einem helleren Grau.

 

Mein erstes Ziel ist der Aussichtspunkt auf die imposante Staumauer. Danach fahre ich hinunter zum Damm, wo mich eine Schranke stoppt. Ein Security Guard kommt aus seinem Holzhäuschen und fragt, wo ich hinmöchte. „Nach Butha-Buthe“, sage ich. Er nickt, weist mich aber mindestens dreimal darauf hin, dass ich über die Staumauer fahren, aber nicht anhalten darf. Ich nicke und erkläre, dass ich bereits vom Aussichtspunkt ein Foto gemacht habe. Das beruhigt ihn, und er lässt mich durch. Hier sind die Vorschriften für einmal strenger als bei uns – wir können sogar über die Staumauern laufen, sofern diese geöffnet sind.

 

Die Straße folgt eine Weile dem Stausee, führt dann über einen Pass und bringt mich anschließend wieder zum See, den ich auf einer Brücke überquere. Trotz dichter Bewölkung bekomme ich auf der Talfahrt eine schöne Sicht auf die Berge und den See.

 

Nach einigen Kilometern verlässt die Straße den Stausee und führt in einem Bogen hinauf zum 3.100 Meter hohen Mafika Lisiu Pass. Oben angekommen, werde ich von heftigen Winden empfangen, die mich fast von der Honda blasen, als ich ein Foto schießen möchte.

 

Dieser Pass scheint eine Wettergrenze zu sein. Während meine Auffahrt noch von trüben Wolken begleitet wurde, erwartet mich auf der anderen Seite Sonnenschein. Auch die Abfahrt ist spektakulär: Die Straße verläuft entlang der Bergkette mit steilen Gefällen und führt mich auf 1.500 Meter hinunter. Was für eine coole Aussicht und Passstraße!

 

Je tiefer ich komme, umso wärmer wird es. Bald ziehe ich meine Regenjacke aus und öffne alle Belüftungsreißverschlüsse.

 

Meine Unterkunft liegt in Butha-Buthe, einer größeren Stadt nahe der Grenze zu Südafrika, wie die Hauptstadt. Von hier aus möchte ich auf die berühmte „Roof of Africa Road“ starten, die über mehrere 3.000 Meter hohe Pässe bis zum berüchtigten Sani Pass führt. Der Sani Pass gilt als drittsteilster Pass der Welt und führt nach Südafrika hinunter. Dazu brauche ich aber zwei regenfreie Tage. Sonst wird das nichts.

 

Im Guesthouse angekommen, gibt es erstmal Verwirrung. Die Mitarbeiterin kennt meine Buchung über Booking.com nicht. Sie meint, sie hätte keine Zeit gehabt, sich um Online-Buchungen zu kümmern, weil so viel los sei. Anfangs sagt sie, das Guesthouse sei eigentlich ausgebucht. Zum Glück bekomme ich dennoch ein Zimmer – allerdings zu einem etwas höheren Preis als bei Booking.com angegeben. Ich weise freundlich, aber bestimmt darauf hin, bin aber letztlich einfach froh, eine Unterkunft zu haben. Das Zimmer entpuppt sich dann als riesig und hat sogar einen großen Balkon. Eine gute Entschädigung für die anfänglichen Schwierigkeiten.

Sonnenschein dringt ins Zimmer. Das sieht gut für meine Weiterfahrt aus. Ich dusche, frühstücke und bepacke bei strahlend blauem Himmel die Enduro. Danach checke ich am Empfang bei derselben Mitarbeiterin wie gestern beim Einchecken aus. Sie fragt, ob ich mit dem Zimmer und Frühstück zufrieden war. Ich nicke und erwähne, dass das Zimmer super war. Sie lächelt und hält mir Rand 100.00 hin. Das sei die Differenz zu meiner Buchung über Booking.com. Sie hätte meine Buchung zwischenzeitlich gefunden und ich hätte natürlich den Preis der Buchung zugute. Wow, das überrascht mich jetzt doch ziemlich und ich bedanke mich für die Rückzahlung und den super Service.

 

Erster Stopp ist die nächste Tankstelle. Der Honda Motor braucht Nachschub. Danach geht meine Fahrt zurück in die Bergwelt Lesothos. Der erste Pass ist in etwa gleich spektakulär wie der gestrige letzte. Auf teils steilen Abschnitten geht es hinauf auf 2.800 Meter. Nach einigen Kurven stehen plötzlich drei Lastwagen auf der Fahrbahn. Ich überhole sie und denke, vermutlich haben die Motoren bei diesen Steigungen zu heiß bekommen. Zwei Kurven später stehen erneut zwei Lastwagen auf der Fahrbahn. Weiter oben kann ich zudem weitere erkennen. Da muss irgendetwas Spezielles sein. Ich überhole die immer mehr werdenden Lastwagen und stehe alsbald vor einem Steinschlag, der die Straße versperrt. Allzu lange kann der noch nicht her sein. Normale Pkws und ich können gut dazwischen durchfahren. Für Lastwagen ist das aber unmöglich. Mit solchen Vorkommnissen muss man in der Bergwelt immer rechnen und hoffen, dass der Steinschlag nie dann passiert, wenn ich gerade durchfahre.

 

Auf der Passhöhe angekommen, verläuft die Straße auf einem Plateau weiter und steigt gemächlich die letzten 500 Höhenmeter an bis zur höchsten Passhöhe Lesothos, dem Mahlasela Pass auf 3.270 Meter. Hier oben liegt eines der wenigen Skigebiete Afrikas, dem ich natürlich einen Besuch abstatte. Die Zufahrt ist durch eine Schranke gesperrt und ich muss mich im angrenzenden Haus anmelden und einen Coupon für Rand 50 (€2,50) erwerben, den ich im Restaurant einlösen kann. Danach öffnet sich die Schranke und ich schottere runter in den kleinen Ort. Dabei passiere ich einen Wegweiser mit lauter Namen bekannter Skiorte in Europa.

 

Natürlich läuft jetzt nichts und nur das Restaurant ist geöffnet. Drinnen sieht es aus wie bei uns in einem der Restaurants auf der Skipiste. Es hat sogar eine richtige Kaffeemaschine und ich bekomme für den Coupon einen Cappuccino und den Restwert überlasse ich dem Mitarbeiter. Über ihn erfahre ich, dass hier im Winter viel los ist und dass man ohne Reservation kaum Platz findet. Die Großstädte Johannesburg und Pretoria liegen lediglich eine Tagesfahrt entfernt und bringen viele Kunden. Viel Naturschnee haben sie nicht, weshalb die Schneekanonen entlang der einzigen Piste und Lifts aufgestellt sind. Wer hier als Anfänger hinkommt, wird bei dem doch recht steilen Hügel seine liebe Mühe haben.

 

Die Straße bleibt nach wie vor oben auf einem Plateau und ich passiere den nächsten Pass, den 3.250 Meter hohen Tlaeng Pass. Bevor es dann hinunter auf 2.000 Meter geht, komme ich an der riesigen Letseng La Terae Diamantenmine vorbei. Natürlich ist alles abgeriegelt und ich sehe nicht allzu viel. Die Ausmaße der Mine müssen aber ziemlich groß sein. Kurz darauf passiere ich eine Kurve, die ein Lastwagen vermutlich wegen zu schneller Fahrt nicht mehr gekriegt hat und umgekippt ist.

 

Auf der Talfahrt sind weitere kleine Minen abseits der Straße zu sehen. Gut erkennbar an den neuen Häusern, die alle entweder grüne, blaue oder rote Dächer haben und für die Arbeiter gebaut wurden.

 

An der Straße wird ebenfalls viel gebaut, obwohl es eigentlich eine Sackgasse ist. Nach der größeren Ortschaft Mokhotlong folgt der Sani Pass nach Südafrika, der nur von 4×4-Fahrzeugen befahren werden kann. Wegen der geldbringenden Minen ist die Straße aber wichtig und wird entsprechend ausgebaut. So auch eine riesige Brücke über den Oranje-Fluss, obwohl bereits eine alte besteht. Das ergibt ein komisches Bild. Überall treffe ich auf Einheimische, die in einfachen Behausungen wohnen und zu Fuß unterwegs sind, und dazwischen wird eine millionenteure neue Brücke mit modernster Technik gebaut.

 

In Mokhotlong habe ich über Google Maps ein Guesthouse gefunden und gestern per WhatsApp angeschrieben, um zu checken, ob sie offen haben und wenn ja, ein freies Zimmer verfügbar ist. Daraufhin bekam ich eine positive Nachricht und steuere die Honda jetzt durch den recht großen Ort zum Guesthouse. Den Rest des Nachmittags durchstreife ich etwas den Ort und esse früh zu Abend im Restaurant des Guesthouses. Morgen soll das Wetter nochmals recht gut sein für meine letzte Fahrt in Lesotho zurück nach Südafrika.

Bevor ich meine Sachen packe, checke ich nochmals den Wetterbericht. Das Radar zeigt wie gestern keine Regen- und Gewitterzellen über der Sani-Pass-Region an. Ich hoffe, dass es auch so bleibt, wenn ich jetzt losfahre.

 

Der Sani Pass ist ein besonderer Bergpass. Er ist geschottert und der drittsteilste Pass der Welt. Auf knapp sieben Kilometern überwindet die Piste ungefähr 1’300 Höhenmeter, was ein durchschnittliches Gefälle von 20 % ergibt. Einige Abschnitte weisen sogar bis zu 25 % auf. Die Piste ist oft in schlechtem Zustand, weil sie zwischen den Grenzposten von Lesotho und Südafrika liegt, weshalb sich beide Nationen nicht dafür verantwortlich fühlen. Instand gehalten wird sie vor allem von Tourveranstaltern, die täglich Touristen in 4×4-Jeeps den Pass hinauf und hinunter chauffieren. Die spektakuläre Strecke führt durch die beeindruckende Berglandschaft der Drakensberge, die sich viele Touristen anschauen möchten. Ich bin also gespannt, was mich erwartet.

 

Die Anfahrt zum Pass auf der Seite Lesothos ist geteert. Zudem ist es keine Anfahrt im üblichen Sinne auf einen Pass. Ich bin in Mokhotlong bereits auf 2.150 Metern und überquere auf dem Weg zum Sani Pass einen weiteren Pass, der auf 3.240 Metern liegt. Die Strecke führt zunächst über mehrere Kilometer entlang des Sehonghong-Flusses, bis es dann auf steilen Abschnitten hinauf zum Kotisephola Pass geht. Die Talfahrt auf das Plateau, von welchem der Sani Pass nach Südafrika hinunterführt, ist ebenfalls sehr steil, und die Motorbremse hat im zweiten Gang viel zu tun.

 

Das Wetter hält zum Glück, und vor mir sehe ich sogar blauen Himmel. Die Kante des Plateaus hinunter nach Südafrika bildet vermutlich eine weitere Wetterbarriere.

Bei der Grenze bin ich der Einzige auf der Seite von Lesotho. Gegenüber kommen gerade zwei 4×4-Fahrzeuge an, aus denen mindestens zehn Personen aussteigen. Sie gehen ins Zollgebäude, wo auch ich hinmuss. Die Zollbeamten sind an Touristen gewöhnt und es geht speditiv vorwärts. Ein Beamter ruft mich zu sich, stempelt meinen Pass und fordert mich auf, die Straßengebühren zu bezahlen. Ich erkläre, dass ich aus- und nicht einreisen möchte. Er lacht, schreibt „cancel“ über den Einreisestempel und setzt den Ausreisestempel daneben. Keine zwei Minuten hat es gedauert.

 

Beim Hinausgehen sprechen mich zwei ältere Touristen an. Sie fragen, ob ich mit dem Motorrad hinunterfahren werde. Ich nicke. Sie warnen mich, dass es gefährlich sei, und raten mir zur Vorsicht. Ich bedanke mich für ihre Sorge um mich und gehe zu meiner Honda, um meine Regenjacke auszuziehen und die Belüftungsreißverschlüsse zu öffnen. Ich rechne mit einer warmen Fahrt.

 

Dann beginnt die Abfahrt – wie auf einer Achterbahn. Es geht steil nach vorne, mit dem Gefühl, ins Nichts zu fahren. Bereits auf den ersten paar hundert Metern sind die steilsten Abschnitte, und die Piste ist voll mit losen, großen Steinen. Hier sind die Honda und ich gefordert.

 

Drei Kurven tiefer halte ich auf einem weniger steilen Abschnitt an und bestaune die enge Passstraße mit ihren Serpentinen. Die Aussicht hinunter nach Südafrika ist gewaltig.

 

Weiter unten sehe ich drei 4×4-Fahrzeuge langsam die Piste hinaufklettern. Da ich die Aussicht genießen will, warte ich, bis sie an mir vorbeisind. Einer der Jeeps hält oberhalb von mir. Einer der Touristen kommt zu mir und fragt nach meinem Motorrad. Er erzählt, dass er eine KLR 650 hat und sich bei der Auffahrt gefragt hat, ob er damit hochgekommen wäre. Ich antworte, dass es mit der richtigen Einstellung und Fahrtechnik sicher möglich ist. Wir unterhalten uns noch kurz, dann müssen sie weiter.

 

Ich rolle weiter nach unten. Grundsätzlich geht es ohne größere Probleme, aber an zwei Stellen sind die Steine so groß und lose, dass ich die Honda rollen lassen muss, um durchzukommen. Das anschließende Abbremsen ist wegen des Gefälles und der nächsten Haarnadelkurve nicht ganz einfach.

 

Ungefähr in der Mitte der steilsten Passage lege ich noch einen Fotostopp ein. Schliesslich werde ich diesen Pass, Piste und Aussicht kaum ein zweites Mal in meinen Leben erleben können.

 

Das Gefälle nimmt nach den Serpentinen ab. Hier kommen mir erneut drei Jeeps in grösseren Abständen entgegen. Der vorderste Fahrer hält an und spricht mich auf Deutsch an. Er habe mein Schweiz-Wappen gesehen. Ich muss lachen. Dann fährt er weiter, um einen Stau zu vermeiden.

 

Die Piste wechselt zwischen harter Lehmerde mit Wasserrinnen und steinigem Untergrund bei stärkerem Gefälle und es gibt zwei kleinere Bachdurchfahrten. Kurz vor dem südafrikanischen Grenzposten wartet eine letzte Herausforderung: eine tiefe Bachdurchfahrt mit starkem Wasserzug. Doch durch die Übung auf der Baviaanskloof-Route komme ich gut durch. Beim Grenzposten bekomme ich den Einreisestempel in wenigen Minuten. Betreffend der Honda gibt es erneut keine Fragen.

 

Ab hier ist die Straße geteert und führt mich weiter hinab durch die grünen Drakensberge. Bei einem Aussichtspunkt lege ich erneut einen Stopp ein und bestaune die Landschaft.

 

Etliche Kilometer später komme ich an eine Kreuzung, wo ich aussuchen kann, ob ich auf einer weiteren Piste entlang der Drakensberge zu meiner etwa 130km entfernten Unterkunft komme oder auf einer Teerstrasse. Ich entschliesse mich für die Schotterpiste und werde reichlich belohnt. Es geht insgesamt über drei kleine Pässe mit Aussichten in die grüne Umgebung der Drakensberge. Diese Region ist sehr speziell und wunderschön. Die ersten zwei Drittel der Piste sind zudem in einem hervorragenden Zustand und ich komme gut voran. Der Schlussteil wird dann harziger, weil die Piste durch das schlechte Wetter in Mitleidenschaft gezogen wurde und teilweise der Untergrund steinig ist.

 

In der kleine Ortschaft Nottingham Road ankommend, steure ich ein Kaffee an, welches ich beim Planen gefunden habe. Der bestellte Cappuccino schmeckt super und der dazu gekaufte Bananen Muffin ebenfalls.

 

Für die letzten 40 Kilometer bis Howick benutze ich eine Nebenstrasse anstatt der ausgebauten Schnellstrasse, die bis nach Durbin führt. Trotzdem hat es im Verhältnis zu allen anderen bisherigen Strecken viel Verkehr. In der umliegenden Landschaft tauchen immer wieder riesige Hotelanlagen auf, die teils wie Schlösser daherkommen. Kein Wunder kommen bei dieser schönen Landschaft viele heimische Touristen aus Johannesburg und Pretoria hierher. Und so wie es aussieht, haben etliche davon viel Geld in der Hosentasche.

 

Meine Unterkunft in Howick ist nicht ganz so pompös aber immer noch sehr gediegen. Für wenig Geld habe ich ein kleines Häuschen bekommen, dass in der Gartenanlage der Besitzerfamilie steht. Ich staune immer wieder, wie gross hier die Landparzellen sind auch von normalen Einfamilienhäusern. Im Gegensatz zu uns gibt es hier einfach viel Platz und Land für alle. In Howick bleibe ich zwei Tage. Einmal um diesen Reisebereicht zu schreiben und einmal, um den Wasserfall in der Nähe zu besuchen und das Nelson Memorial. Hier wurde Nelson Mandele verhaftet und danach für 27 Jahre eingesperrt. Davon 18 Jahre auf Robben Island bei Kapstadt.

Route und Downloads

Track & POI meiner Route

Die GPX Datei enthält den Track und die POI der Strecke „Lesotho – das Dach Afrikas“

Picture of Christian Feustle
Christian Feustle

Autor und Inhaber der Marke Motoglobe

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