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Kreuz und Quer durch den Nordiran

Kreuz und Quer durch den Nordiran

Einheimische wissen bekanntlich, wo es am schönsten ist und deshalb fahre ich auf deren Empfehlung eine grössere Schlaufe, um in die Provinz Kurdistan zu gelangen. Das bedeutet zuerst einmal ein paar hundert Kilometer Anfahrtsweg.

 

Am ersten Fahrtag biege ich nach 480 km in den Hotelparkplatz ein. Der ist voll belegt und ein Parkwächter stoppt mich. „Reservation, Reservation?“ fragt er mich? Ich schüttle den Kopf und bevor ich etwas erwidern kann, höre ich den Parkwächter „full, full“ sagen. Ausgebucht? Das kann wohl nicht sein, waren doch bis anhin alle Unterkünfte schwach besucht.

 

Müde steige ich von der KTM und folge dem Mann, der mir per Zeichensprache zu verstehen gibt, ihm in die Lobby zu folgen. Die Rezeptionistin spricht gut Englisch und erklären mir, dass heute ein islamischer Feiertrag sei und alle Hotels in der Stadt ausgebucht sind. Mein Blick muss so ungläubig gewesen sein, dass sie es gleich nochmals wiederholt mit dem Hinweis, dass sie leider nichts für mich tun kann. Mit dem habe ich jetzt gar nicht gerechnet und lasse mich in einen Sessel in der Lobby hineinfallen.

 

Nach fünf Minuten innerlichem Fluchen habe ich die schlechte Nachricht verdaut und suche auf der Karte die nächstgrössere Stadt mit Unterkunftsmöglichkeiten. Ich werde fündig, nur liegt diese doch tatsächlich 100 km von hier weg und besitzt gerade mal ein Hotel. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mein Glück zu versuchen oder dann eben in meinem Zelt zu übernachten. Zwei Stunden später liege ich frisch geduscht auf dem Bett im Hotelzimmer der besagten Stadt. Wenige Minuten später bin ich eingeschlafen. Heute gehts in die Berge der Provinz Kurdistan. Es soll bis auf knapp 3’000 Meter hoch gehen und das Panorama wäre gigantisch. Ich bin nicht lange unterwegs, fallen mir die ersten Männer mit den typischen Kurdischen Pluderhosen auf. Zudem geht es innerhalb der Ortschaft hektische und chaotischer zu und her, was teilweise den Verkehr lahmlegt. Ausser mir scheint das niemand zu stören. Sie tragen auch keine Motorradbekleidung bei knapp 35 Grad.

 

Auf der kurvigen Bergstrasse zur Ortschaft Nowsud, die nahe der irakischen Grenze liegt, stoppt mich der erste schwer bewachte Polizeicheck Point. Nach kurzer Passkontrolle und der Frage, wohin ich will, kann ich weiterfahren.

 

Nach Nowsud windet sich die Passstrasse die Berge hoch. Nach jeder Kurve wird die Aussicht gigantischer und ich sehe weit bis in den Irak hinein.

 

An der nächsten Kreuzung mit einer Strasse in den Irak, sperrt ein Armeecheckpoint die Weiterfahrt. Der Lieferwagen vor mir ist interessiert sie aber viel mehr als mich und so kann ich durchfahren.

 

Schmuggel ist gemäss den Einheimischen in diesem Gebiet ein Riesengeschäft. Aus dem Irak werden Güter mit hohen iranischen Importzöllen schwarz in den Iran gebracht. Umgekehrt wird billiges Benzin aus dem Iran in den Irak geschmuggelt.

 

Bis zu meinem Hotel im Nebental Uraman Takht folgt noch ein weiterer Checkpoint.

 

Am nächsten Tag kurve ich über eine schöne Passstrasse aus der Bergregion hinaus. Danach geht es auf einer Achterbahn, Hügel hoch, Hügel runter Richtung Kaspisches Meer bis zur Ortschaft Zandschan, wo ich eine Nacht bleibe. Hat sich die Schlaufe gelohnt? Die Bilder beantworten diese Frage.

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Ich sollte rechts abbiegen, aber mehrere auf der Strasse platzierte Plastikstangen versperren mir den Weg. Mittendrin steht der Dorfbeauftragte von Masouleh mit Trillerpfeife im Mund und versucht alle vor und nach mir kommenden Autos davon abzuhalten, rechts abzubiegen. Er lots alle nach links auf den weiter unten liegenden Parkplatz, der bereits überquillt. Ich halte bei ihm und werde mit einem gestressten Blick empfangen. Ich frage „Road closed?“, er erwidert „no Englisch“ und pfeift auch schon wieder einen Autofahrer zurück, der versucht abzubiegen.

 

Masouleh liegt im grünen Alborz Gebirge nahe des Kaspischen Meeres auf rund 1’000 Meter Höhe. Wegen des steilen Abhangs reihen sich die Häuser terrassenförmig aneinander. Innerhalb der Ortschaft gibt es kaum Strassen, sondern mehrheitlich Serpentinengassen. Durch seine malerische Lage und den kühleren Temperaturen, ist die Ortschaft bei den Einwohnern Teherans das Ausflugsziel Nr. 1.

 

Die besagte abgesperrte Strasse, diese geht als einzige durch das Dorf hindurch, muss ich nehmen, damit ich den weiter oben liegenden Pass überqueren kann. Damit ich dem Wächter das auf Google Map zeigen kann, auf Google Map sind alle Ortsnamen auch auf Persisch angegeben, stelle ich die KTM einige Meter weiter am Strassenrand ab. Ich steige vom Motorrad, drehe mich um und will loslaufen. Geht nicht, denn da steht eine Grossfamilie vor mir und die Männer wollen alle die KTM anschauen. Unterdessen zücken alle Frauen ihre Handys, um sie mit dem Bike und mir zu fotografieren.

 

Irgendwann schaffe ich es dann bis zum Wächter, der, Google sei Dank, nickend mir zu verstehend gibt, dass ich durchfahren kann. Also nichts wie los nur – beim Motorrad stehen mittlerweile die nächsten Iraner, die mich freudig empfangen.

 

Bestimmt, aber freundlich gebe ich fünf Minuten später allen zu verstehen, dass ich weiterfahren muss, was auch verstanden wird.

 

Hinter Masouleh wird es ruhiger und bald geht es auf einer Schotterstrasse weiter durch die grünen Berghänge. Von der Passhöhe ist die Aussicht fantastisch. Schauen ich Richtung Masouleh, ist alles grün, schaue ich in die andere Richtung, ist alles braun. Erstaunlich, wie klar und deutlich die Wassergrenze sichtbar ist.

Meine Nerven melden einen stechenden Schmerz von meiner Oberlippe und an meiner Nase spüre ich ein Krabbeln. Intuitiv will meine linke Hand dahin greifen, was ich mit meinem Verstand gerade noch verhindern kann, bin ich doch in Schräglage in einer steilen Kurve und der schlechte Belag lässt die KTM durchschütteln. Also keine gute Idee, den Lenker loszulassen. Ich muss mich deshalb zwingen, das mehr als unangenehme Krabbelgefühlt auszuhalten, bis sich die Maschine am Strassenrand zum Stillstand gebracht habe.

 

Das kann es wohl nicht sein. Wie vor vier Tagen hat mich erneut eine Biene gestochen. Damals stach sie mir ins Handgelenk und mein Unterarm schwoll innert drei Stunden zu einer kleinen Wurst an. Erst seit heute sieht mein Arm wieder normal aus, wobei es immer noch juckt. Passiert mit meinem Gesicht nun dasselbe, schwirrt es mir als Erstes durch den Kopf?

 

Das Brennen in meiner Oberlippe verstärkt sich von Minute zu Minute und es fühlt sich so an, wie beim Zahnarzt, wenn dieser eine runde Wattenrolle zwischen die Zähne und Lippe schiebt. Meine linke Gesichtshälfte ist ebenfalls in Bewegung. Ich halte nochmals an und begutachte mich im Rückspiegel. Oje, meine linke Gesichtshälfte ist aufgegangen wie ein Hefegepäck im Ofen.

 

Eis hilft da als Erstes und so stoppe ich beim nächsten Getränkeladen, die es in jeder noch so kleinen Siedlung gibt. Glück im Unglück, sie verkaufen sogar gefrorene Wasser-PET-Flaschen und so sitze ich fünf Minuten später im Schatten vor dem Laden und Kühle meine Schwellung. Für Unterhaltung ist ebenfalls gesorgt, steht doch vermutlich die Hälfte der Siedlungsbewohner, hergelockt durch den ungewohnten Motorenlärm meiner KTM, vor mir.

 

Mit meinem temporären neuen Gesicht erreiche ich einige Zeit später die Grenze. Die Zollbeamten beider Seiten interessiert das wenig und stempeln meine Aus- und Einreise zügig ab. Der Papierkram für die KTM dauert wie üblich einiges länger.

 

Zwei Stunden später rolle ich zu meinen Guesthouse, dass gleich bei der Grenze liegt, und eise fleissig weiter.

Route und Downloads

Track und POI meiner Route

Die GPX Datei enthält den Track und diverse Wegpunkte von Pässen, Sehenswürdigkeiten, Strasseninfos, Restaurants, Unterkünfte, Grenzen und mehr. Alle Daten ohne Gewähr.

Picture of Christian Feustle
Christian Feustle

Autor und Inhaber der Marke Motoglobe

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