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Entlang des kirgisischen Meeres

Entlang des kirgisischen Meeres

Mister, sagte der Mann an der Eingangsbarriere zum Charyn Canyon „Motobike no…“ und machte mit der Hand ein Fahrbewegung nach unten. „Only walk“ fügte er dann noch hinzu.

 

Stimmt es also, was mir ein Motorradfahrer vor zwei Tagen erzählt hat und die Schotterstrasse in den Charyn Canyon hinein ist für Motorräder gesperrt. Schade, über diese Piste wäre es mir möglich gewesen im Canyon herumzufahren und eventuell auch im Camp am Fluss zu übernachten. Vermutlich besteht das Verbot wegen dem Anfangsteil der Strasse, dass sehr steil ist. Es dürfen deshalb nur 4×4 Fahrzeuge runterfahren. Alle anderen laufen die 2 Km bis zum Fluss ebenfalls.

 

Bei 30 Grad und mit der Motorradbekleidung tue ich mir das nicht an. So verweile ich ein wenig an den Aussichtpunkten beim Parkplatz und esse einen Happen zu Mittag. Über ein Reiseforum im Internet habe ich gestern die Koordinaten von drei Aussichtspunkten auf der gegenüberliegenden Seite gefunden. Gemäss dem Navi würde die Fahrt dahin in etwa 2 Stunden dauern. Da ich sowieso in diese Richtung weiterfahre, entschliesse ich mich spontan zu entscheiden, ob ich die Punkte anfahren werde oder nicht. Ich fahre zurück zur Teerstrasse, die mich schlussendlich zum meinem Tagesziel bringen wird, dass auf der anderen Seite der Canyon Landschaft liegt. So komme ich doch ein wenig in die Schlucht hinein und überquere den Fluss.

 

Mein Tempo ist heute gemächlich und ich erreiche deshalb die Abzweigung auf die Schotterstrasse zu den erwähnten Aussichtspunkten erst um 17.00 Uhr. Zu spät, entscheide ich, den auf Schotterpisten ist Eile ein schlechter Begleiter.

 

Irgendwann muss ich noch an Höhe gewinnen. Almaty liegt nämlich auf 500 Meter über Meer und Kegen auf rund 1’700 Meter. 

 

Bis dahin sind es noch 23 km. Ein paar Kilometer später gleite ich kurvig durch eine wunderschöne Landschaft in die Höhe und – die Temperatur sinkt. Ab jetzt ist vorbei für eine Weile mit 30 Grad und mehr.

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Im Moment sehe ich durch mein Helmvisier so viel, wie durch die Milchscheibe einer Küchentüre in einer Altbauwohnung. Die Kombination Regen, Kälte und Atmen verursachen diese Sichtverschleierung. Nicht gerade optimal, fahre ich doch auf der Schotterpiste Richtung kirgisischer Grenze, die auf 2’000 Meter Höhe liegt. Fahren ist schon fast übertrieben. Vermutlich wäre ich mit Schieben genauso schnell.

 

Weit entfernt von der letzten Siedlung taucht der Grenzposten endlich auf. Auch hier ist der eigentliche Grenzposten durch eine Barriere abgeriegelt. Hier darf ich einem Soldaten meinen Pass zeigen. Erst dann erhalte ich die Erlaubnis 10 Meter weiter zum Grenzposten zu fahren. Viel los ist zum Glück nicht und die Zöllner haben trotz fehlendem Wetterschutz gute Laune. Sie bestaunen in erster Linie meine KTM. Ihre obligatorische Frage nach Waffen und Drogen vergessen sie dabei aber nicht. Die Passkontrolle benötigt ebenfalls nur fünf Minuten und schon geht es weiter zum kirgisischen Zoll, der gleich nebenan ist. Hier läuft die Abwicklung sogar noch etwas schneller und ich schaffe beide Grenzübertritte in 30 Minuten. Neuer Rekord.

 

Dem Wetter sind Grenzen egal und so regnet es weiter, bis ich in Karakol ankomme. Beim Gästehaus steige ich völlig nass vom Motorrad und wer zeigt sich – die Sonne. Auch gut, so spaziere ich wenigstens im Trockenen ins Stadtzentrum für Geld zu wechseln und eine SIM-Karte zu kaufen und meinen Bauch zu füllen.

 

Es bleibt noch Zeit für einen ausgedehnten Rundgang zum Markplatz, zur aus Holz erbauten Moschee und orthodoxen Kirche. Dabei begegnen mir mehr Touristen, als ich insgesamt in den letzten vier Wochen gesehen habe. Von hier starten viele Trekkingtouren, die anscheinenden beliebt sind.

Mmmmm auf dem Frühstückstisch stehen frische Früchte, Brot, eine Art Lasagne, Jogurt und ein gut riechender Café. Das Guesthouse meint es gut mit mir. Da nehme ich mir doch etwas mehr Zeit.

 

Zurück im von der Sonne schön aufgewärmten Zimmer packe ich meine Sachen und ziehe meine Motorradhose an. Das fühlt sich an, wie wenn ich in nasse Badehose schlüpfen würde. Bei der Jacke ebenso. Die Handschuhe tropfen sogar noch.  Da muss ich durch und hoffen, dass der warme Fahrtwind meine Sachen wie ein Föhn trocknen wird.

 

Den Issyk Nur See, den die Kirgisen gerne als ihr Meer bezeichnen, erblicke ich nach 50 km. Die andere Seeseite sehe ich wegen dem Dunst nicht, was auch bei mir den Eindruck erweckt, am Meer zu sein.

 

Gemächlich cruise ich dem Ufer entlang mit dem Ziel, in einem am See liegenden Jurten Camp zu übernachten. Das langsame Cruiser Tempo bewahrt mich davor, von den drei Polizeikontrollen, die ich passiere, angehalten zu werden. Die Bussen für Touristen sollen hoch sein. Das Jurten camp erreiche ich am frühen Nachmittag und verbringe den Rest des Tages am See und im OpenAir Restaurant. Abends wird das Nachtessen traditionell in einer grossen Jurte angerichtet und wir dürfen alle am Boden sitzen. Dabei versperren mir öfters meine Beine den Weg zum Teller.

 

Der gestrige Dunst hat sich verzogen und so leuchten heute die Schneeberge auf beiden Seiten des Seeufers in der Sonne. Traumhaft.

 

Kaum verlasse ich das Seeufer am Ende des Issyk Nur, dominiert die Wüste die Landschaft. Sie umzingelt auch den Stausee Orto Tokoy, der tiefblau leuchtend auftaucht. Ich bestaune eine Weile diese schönen Farbkontraste und fahre dann am Fluss Chu entlang nach Kochkar. Hier bleibe ich für heute und fülle meine Vorräte auf für die morgige Reise zum abgelegenen Song Kul See.

Route und Downloads

Track und POI meiner Route

Die GPX Datei enthält den Track und diverse Wegpunkte von Pässen, Sehenswürdigkeiten, Strasseninfos, Restaurants, Unterkünfte, Grenzen und mehr. Alle Daten ohne Gewähr.

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Christian Feustle

Autor und Inhaber der Marke Motoglobe

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