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Durch die kirgisische Bergwelt

Durch die kirgisische Bergwelt

Hey, dä chunt us Züri, hallo, hallo, höre ich hinter mir rufen, nachdem ich den Motor abgeschaltet habe, um die schöne Aussicht zu geniessen. Ich drehe meinen Kopf und sehe etwa 20 Meter hinter mir verdeckt durch einen Hügel eine Familie mit Fahrrädern stehen.

 

Sie erzählten mir, dass sie mit ihren Fahrrädern Kirgistan bereisen und soeben von Song Kul See kommen. Um den zu erreichen, mussten sie mindestens über einen Pass von 3’400 Meter Höhe und erst noch auf Schotterpisten. Das kostet doch einiges an Kraft und Motivation, vor allem für die Kinder. Die Drei sahen aber alle zufrieden und glücklich. Ich muss sagen, Hut ab vor dieser Leistung.

 

Keine 10 Minuten später radelt auch schon der nächste Schweizer daher. Wenn das so weiter geht, sehe ich den See heute nicht mehr.

 

Auf dem Weg zum Song Kul See steht mir der Kalmak Pass im Wege. Mit seinen 3’440 Meter ein hoher Pass. Die Strasse steigt deshalb steil an und windet über diverse Kurven den Berghang hoch.

 

Oben erwartet mich als erstes ein Gewitter, was auf dieser Höhe heftig ist. Es wird innert Kürze kalt und die Blitze fuchtelt in allen Variationen am Himmel herum. Glückerweise dauern diese Unwetter nicht lange und so erreiche ich mein Jurten Camp trocken. Hier bekomme ich eine schöne Jurte für mich. Meine Sachen sind schnell verstaut und bald darauf stehe ich am See und geniesse die Ruhe auf 3’100 Meter. Nach Sonnenuntergang, der einmalig war, wird es schnell fröstelnd kalt. Ich verziehe mich in meine Jurte und lege mich schlafen. Da platzt, ohne anzuklopfen einer der Jurten Mitarbeiter herein, zündet das Licht an, es hat nur drei Stunden am Abend Strom, und heizt den Jurten Ofen ein. Dass ich im Bett liege und schlafen möchte, interessierte in überhaupt nicht. Privatsphäre wird hier anders definiert als bei uns.

 

Heute Morgen verlasse ich den See über den Moldo Ashu Pass, der, als einer der schönsten in Kirgistan gilt. Die Aussicht, ein Traum und die Schotterstrasse, die im oberen Teil aus dem Berg gehauen wurde, atemberaubend.

 

Auf dem weiteren Weg nach Kazarman, eine Ortschaft, die im Winter oft von der Aussenwelt abgeschnitten ist, überquere ich noch weitere grössere und kleinere Pässe. Die Landschaftsbilder sind dabei einmalig. Für Unterhaltung auf der Strecke war auch gesorgt. So sprach ich mit einem Paar aus Frankreich, die sich mit dem Fahrrad hochkämpften, einem fahrradfahrenden Iren, der ein Jahr auf Tour ist oder ich versuchte zwei Kirgisen zu helfen, welchen der Keilriemen gerissen war und bald darauf lehnte ich einem Paar aus Belgien etwas Panzerband aus, damit sie den Riss im Kühler versuchen konnten abzukleben. Das macht das Fahren richtig abwechslungsreich.

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Was ist denn jetzt los? Ich fahre auf einer nigelnagelneuen Teerstrasse, die unverhofft bei der Ortsgrenze von Kazerman beginnt. So gleite ich die ersten fünf Kilometer ruhig dahin, bis dann mit einem grösseren Absatz nach unten der Übergang auf die Schotterpiste kommt.

 

Zwischen mir und Osh liegen 260 km und der 3’000 Meter hohe Kaldama Pass. Die Schotterpiste zur Passhöhe ist nur während vier Monaten im Jahr geöffnet und wird kaum unterhalten.

 

Doch zuerst rüttelt die Wellblechpiste mal wieder kräftig mein Gehirn durch. Anstatt aufwärts führt die Piste, die immer sandiger wird, nach unten zum Urut Bashi Fluss. Bei Regen wäre das keine leichte Abfahrt geworden. Unten gibt es dafür eine Brücke und danach verläuft die Strecke etwas dem Fluss entlang. Hier kommen mir drei Trucks mit Anhänger entgegen. Es werden nicht die letzten sein. Unglaublich, über was für Strassen die Fahrer ihre Lastwagen bewegen.

 

Die Auffahrt zu Pass beginnt zuerst in grösseren Schlaufen wird dann immer enger und kurviger. Der Belag wechselt sich zwischen Sand, Kies und Schotter regelmässig ab.

 

In einer Kurve steht ein Motorrad auf der Seite, auf dem ein Paar sitzt und Wasser trinkt. Ein Grund für mich ebenfalls eine Trinkpause mit Unterhaltung einzulegen. Sie sind in London gestartet und sind auf dem Weg nach Japan und dann weiter nach Asien bis Australien. Das gibt es noch ein paar Kilometer zu fahren für sie. Je weiter die Strasse ansteigt, umso dünner wird die Luft. Das bekommen auch die beiden tschechischen Fahrradfahrer zu spüren, die kurz vor der Passhöhe luftringend pausieren. Das Gespräch verlief entsprechend etwas kurz. Gerüttelt und geschüttelt oben angekommen bietet sich mir ein Panorama wie in den Alpen an. Jetzt ist für mich nachvollziehbar, wieso es Menschen gibt, die Kirgistan die Schweiz Zentralasiens nennen. Man könnte die Schweiz auch Kirgistan Europas nennen. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Runter ist die Strasse in einem besseren Zustand und ich komme gut voran. Nach einer Haarnadelkurve steht plötzlich ein ganze Gruppe Fahrradfahrer zum Schwatz auf der Piste. Ich muss sogar anhalten, weil ich mich seitlich nicht an ihnen vorbei schlängeln kann. Danach folgen nochmals fünf Personen auf Fahrrädern. Es scheint, dass Kirgistan das Mekka für hartgesottenen Fahrradfahrende ist.

 

Ich nähere mich der Ortschaft Dschalalabad, die bereits im flachen Fergana Tal liegt. Hier bin ich noch auf 760 Meter und die Temperatur steigt auf 40 Grad an. Mittlerweilen fahre ich auch wieder auf Teer. Nur leider durch unzählige, kilometerweite, gesichtslose Ortschaften und Siedlungen hindurch. Die Tempolimit liegen abwechselnd bei 20, 40 oder 50 km/h. Der Verkehr hat zudem massiv zugenommen und ist mit Lastwagen, die beim Gas geben die ganze Umgebung schwarz einnebeln, dicht bestückt. Mit der schnellen KTM konnte ich mich gut durch den Verkehr bewegen, wäre da nicht die Polizei, die nur darauf warten, dass ein Tourist wie ich zu schnell unterwegs ist.

 

So kämpfe ich in der brütenden Hitze gegen meine Gas Hand an, die liebend gerne am Griff kräftig drehen würde.

 

Ziemlich KO erreiche ich zwei Stunde später das Guesthouse in Osh und betrinke mich als erstes mit zwei Liter Wasser.

Der Mitarbeiter vom MuzToo kämpft mit dem Michelin Anakee Wild Hinterreifen. Trotz aller Versuche hat er ihn bis jetzt nicht von der Felge gebracht. Mit der zusätzlichen Kraft eines Kollegen schafften sie es dann doch noch. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass sie eine Reifenwechselmaschine besitzen. Aber nein, sie montieren von Hand pro Tag an die 3 – 6 neue Reifen auf unzählige Motorradmodelle.

 

Mit dem Michelin Reifen hätte ich noch locker 2’000 km fahren können. Da mir Vergleichswerte fehlten, ich verwende den Reifen zum ersten Mal, konnte ich nicht einschätzen, wie lange er halten wird. Darum habe ich bereits vor der Abreise bei MuzToo, eine von einem Schweizer gegründete Motorradwerkstatt in Osh, neue Reifen reserviert. Ein Schraubencheck ist ebenfalls nötig, schüttelte es die KTM über die letzten 500 km Schotterpisten ziemlich durch. Bis auf eine fehlende Schraube, ist soweit alles in Ordnung.

 

Meine Kleidung, im speziellen die Motorradklamotten, benötigen auch dringend einen Waschservice. Jetzt sieht sie sauber aus und vor allem duftet sie wieder gut.

 

Der Rest der Zeit verbrachte ich mit etwas Proviant für die morgen startende Pamir Route zu besorgen, eine feine Pizza zu essen mit einem schaumigen Cappuccino zum Dessert und Nichtstun. Das macht zwischendurch richtig Spass.

Route und Downloads

Track und POI meiner Route

Die GPX Datei enthält den Track und diverse Wegpunkte von Pässen, Sehenswürdigkeiten, Strasseninfos, Restaurants, Unterkünfte, Grenzen und mehr. Alle Daten ohne Gewähr.

Picture of Christian Feustle
Christian Feustle

Autor und Inhaber der Marke Motoglobe

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