Das einsame Kasachstan
17.07.2018 routen >> seidenstrasse & pamir hwy
Pochemu ty ne govorish‘ po-russki? my friend «Wieso sprichst du kein Russisch, my friend» hat mich schon der Russische Zollbeamte an der Mongolischen Grenze gefragt. Ich glaube, die wissen nicht, wie schwierig Russisch ist. Da nutze ich lieber Google translate zusammen mit Zeichensprache, eine Kombination, die mich oft zum Lachen bringt.
An der Grenze waren sie heute alle gut gelaunt. Kein Wunder, war ich nebst einem Kirgisen der Einzige, der von Russland nach Kasachstan um 08.30 Uhr wollte. Dachte zuerst, dass könne doch gar nicht die Grenze sein. So fragte ich den Fahrer des Autos vor mir, mit Google translate, worauf dieser wie wild nickte als Bestätigung.
Keine zwei Minuten später öffnete sich die Schranke. Reinfahren, Motorrad abstellen, ins Büro zur Passkontrolle, wieder raus aufs Motorrad, 50 Meter fahren, Pseudogepäckkontrolle mit der obigen Fragen nach meinen Russischkenntnissen und schon war ich in Kasachstan. Hier das Gleiche nochmals mit einem Good luck als Abschied. Ich staunte, wie schnell ich dieses Mal durchkam. Nächste Anlaufstelle war die Stadt Semej für den Kauf einer SIM-Karte, Geldwechseln und – eine Motorradversicherung. Die kasachische Polizei ist bekannt dafür, dass sie gerne Ausländer kontrolliert. Eine fehlende Versicherung würde mich hier viel mehr Kosten als noch in der Mongolei.
Das Versicherungsgebäude war in der Stadtmitte und ich stellte mir deshalb einen schnörkellosen Neubau vor mit vielen gut angezogenen Leute, wo ich bald mit dreckigen Motorradklamotten reinspazieren würde und mich alle etwas komisch musterten. Aber nix da, das Büro war eine Bretterbude und die Versicherung hatte ich innert 15 Minuten. Einer der Angestellten half mir auch gleich noch eine SIM-Karte zu kaufen mit Datenpacket. Auch beim Geldwechseln auf der Bank half mir sofort eine Angestellte die richtige Wartenummer zu ziehen und der Security bewachte mit seinem Leben garantierend meinen Helm und Trinkrucksack. Echt freundlich, die Kasachen.
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Hungrig stand ich pünktlich wie eine Schweizer Uhr um 08.00 Uhr am einzigen Frühstückstisch meiner Unterkunft. Die Inhaberin sass gleich wie am Vorabend auf ihrem Stuhl und musterte mich verschlafen. Mit Zeichensprache fragte ich sie nach Hama Hama. Ihre Antwort war die Zahl 8, worauf ich gestikulierte, dass ja jetzt 08.00 Uhr sei. Mich befremdlich musternd, zeigte sie auf die Uhr an der Wand. Ups, die stand auf 07.00 Uhr. Das Internet klärte mich dann auf. Kasachstan ist hinter Russland eine Stunde zurück. Diese Zeitzonen verstehe ich nicht.
Eine Stunde warten kam für mich nicht in Frage und so ging es ohne Frühstück los in der Hoffnung, dass ich bald an einem Supermarket vorbeifahren würde. Leider nicht und erst drei Stunden später erreichte ich die nächste grössere Siedlung. Ziemlich durchgeschüttelt von der miserablen Teerstrasse stoppte ich an einer neuen Tankstelle, die sogar mit einem Shop ausgestattet war. Auf der These stand, ich traute meinen Augen nicht, eine Kaffeemaschine mit Lavazzo Kaffee. Bald stieg mir der Geschmack frisch zubereiteten Kaffees in die Nase und der leckere Espresso durch die Kehle.
Zurück auf der üblen Teerstrasse überlegte ich mir gerade, über was ich noch nachdenken könnte, als einige hundert Meter neben mir eine grosse Detonation ertönte und viel schwarzer Rauch mit einem riesigen Feuerschweif aufstieg. Da explodierte eine Bombe und was für eine. Ungläubig hielt ich an. Dabei erinnerte ich mich, dass ich in der letzten Siedlung an einer grossen Militäranlage vorbeifuhr. Vermutlich führte die Strasse direkt an deren Testgelände vorbei. Nichts für schwache Nerven.
Auch am nächsten Tag war wegen des katastrophalen Strassenbelages abwechselnd Slalom oder Super Ski mit Sprungeinlagen meine Fahrdisziplinen. Dabei blies jetzt auch noch ein starker Steppenwind, der mit meiner leichten Enduro Maschine herumspielte, wie er wollte.
Bei einem steilen Anstieg stand ein Auto auf der Seite und der Fahrer winkte mir zu. Es stellte sich heraus, dass die Stossdämpferaufhängung eines Vorderrades durchgebrochen war und ihm fast ein Loch in die Kühlerhaube schlug. Ich drückte dies nach unten, während er sie mit einem Kabel zu befestigen versuchte. Das gelang, wobei ich bezweifle, dass er weit damit gekommen ist.
Auffallend ist die Freundlichkeit der Kasachen. Sie hupen beim Vorbeifahren, winken mir zu, wollen gerne alles anschauen, sind dabei aber angenehm zurückhaltend. Sie helfen mir im Restaurant, wenn Google translate die Speisekarte nicht übersetzen kann, oder diskutieren alle zusammen, wo denn jetzt das nächste Hotel ist. So entstehen bei vielen meiner Stopps positive Begegnungen mit den Einheimischen.
Soeben bin ich in den KTM-Shop in Almaty eingetreten und habe das Gefühl, ich sei in einem Motorradladen in Zürich. Schön aufgereiht stehen die verschiedenen KTM-Motorräder im glänzenden Showroom. Der junge Mitarbeiter spricht mich sofort an und heisst mich willkommen. Da bin ich zuerst einmal etwas baff, hatte ich mich doch bereits darauf eingestellt, dass der Laden höchsten das Öl verkauft, was ich benötige und ich den Ölwechsel dann selbst vornehmen werde.
Jetzt steht aber der Mechaniker da und teilt mir mit, dass er gerne den Ölwechsel machen könne inklusive Luftfilter- und Kettenreinigung. Fünf Stunden später kann ich die Maschine frisch geputzt mit einem zusätzlichen Liter Öl für die Weiterfahrt abholen und dass alles zu einem ziemlich günstigen Preis. Das nenne ich doch eine positive Überraschung. Die Stunden dazwischen relaxe ich und geniesse das Nichtstun.
Heute Morgen packte mich dann die Neugier, wie die Innenstadt von Almaty aussieht und was die Menschen hier so an einem Sonntag unternehmen. Also ab in die kurzen Hosen plus die Schuhe anziehen und losgeht es. Über die App Maps.me habe ich alle Stadt- und Länderkarten herunterladen damit ich sie offline nutzen kann. In diesen Karten sind sehr viele Details zu Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Öffentlicher Verkehr bis hin zum örtlichen Taxi Dienst enthalten. Eine super App zum Reisen. Almaty ist eine sehr grüne Stadt. Viel Gehsteige liegen im Schatten der Bäume, was für mich das Herumlaufen bei knapp 35 Grad angenehme macht. Mir viel schnell auf, dass die Kasachen Springbrunnen und Skulpturen toll finden und – Kaffee. Alle paar hundert Meter lädt mich ein Café dazu ein, einen Stopp zu machen. Als Kaffeeliebhaber gefällt mir das und bald sass ich vor einem leckeren Cappuccino.
Viel los war nicht in der Stadt. Es scheint, dass die Almatier am Sonntag zu Hause bleiben oder in die umliegenden Bergebiete zur Abkühlung fahren. Einzig im Grünen Basar kam etwas Leben auf. In den grossen Hallen werden vor allem Fleisch, Früchte und Gemüse verkauft. Daneben gibt es auch noch Kleider und allerlei Ramsch.
Ich schlenderte dann noch weiter bis zur Zentralen Moschee, die mit ihren Goldkuppeln in der Sonne leuchtete. Die Mehrheit der Bevölkerung von Kasachstan ist muslimisch. Hätte ich es nicht gelesen, wäre mir das nicht aufgefallen.
Ein Fahrer von Uber brachte mich zurück in meine Unterkunft. Anstrengend so ein Sonntag.
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