Berg Schotterpiste und Panne
06.09.2018 routen >> seidenstrasse & pamir hwy
Das sieht steil aus und die Schotterstrasse ist mehr eine Geröllhalde als Piste und zu all dem wartet da oben eine Haarnadelkurve auf mich.
Ich drehe einmal am Gashebel und die KTM bewegt sich sofort kraftvoll bergauf. Ich kann sie einfach und ohne Kraftaufwand über das Geröll lotsen und vor der Haarnadelkurve muss ich sogar etwas abbremsen, weil für die Enduro die Steigung ein Klacks ist und sie kein Tempo einbüsst.
Kaum bin ich aus der Haarnadelkurve heraus, kommt schon die Nächste und dann gleich eine Bachdurchfahrt. Das geht in diesem Stil über mehrere Kilometer so weiter.
Die wenigen Jeeps, die mir begegnen, quälen sich langsam und mühselig über dies Piste. Mit meiner leichten und agilen Enduro hingegen macht das richtig Spass.
Die Tusheti Strasse hinauf zum Abano Pass wird als gefährlich eingestuft, weil sie als schmale Schotterstrasse über längere Abschnitte an schroffen Abhängen entlangführt oder wie oben beschrieben steil und steinige Haarnadelkurven mit Bachdurchfahrten aufweist. An vielen Stellen ist zudem das Kreuzen zweier Autos schwierig oder gar nicht möglich. Sofern man nicht an Höhenangst leidet und mit einer leichten Enduro fährt, ist die Befahrung der Passstrasse gut machbar. In Georgien angekommen, fuhr ich als erstes zum KTM-Händler in Rustawi für einen Ölwechsel. Leider war die Werkstatt um 16.00 Uhr bereits geschlossen. Tja, hier laufen die Uhren eben etwas anders. Am nächsten Tag hatte ich mehr Glück und der Ölwechsel war innert einer Stunde erledigt. Abends traf ich Hansol, ein Motorradfahrer aus Südkorea, den ich in Ulaanbaatar kennen gelernt haben. Auch er ist Richtung Europa unterwegs und so kreuzen sich unsere Wege öfters, auch wenn wir manchmal hunderte von Kilometern voneinander entfernt sind. Wir tauschen dann unsere Erlebnisse aus, trotz Sprachbarrieren, lachen viel über lustige Geschehnisse und diskutieren, wie es bei jedem von uns weitergeht.
Mein Ziel am nächsten Tag ist ein Guesthouse in Napareuli, von wo aus ich den Tagesausflug über die Tusheti Strassen unternehmen kann. Auf dem Weg dahin besuchte ich die auf einem Berg gelegene Klosteranlage Dschwari. Von da oben bot sich mir eine schöne Aussicht über die an einer Flussgabelung liegende Ortschaft Mzcheta.
Über eine gut ausgebaute kurvige Strasse führte meine Strecke weiter durch den Tbilis National Park zum Stausee Sioni. Wäre eigentlich eine schöne Route gewesen, gäbe es da nicht die vielen georgischen Autofahrer, die mit horrenden Geschwindigkeiten unterwegs sind. Leider werden in Georgien nur an bestimmten Orten mittels Kamera Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. Diese sind allen bekannt, was zu den Geschwindigkeits-Exzessen führt. Die Polizei schaut da untätig zu. Für mich als Motorradfahrer leider gefährlich.
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Ich stelle die Zündung eine und drücke den Starterknopf. Ausser ein kurzer Drehversuch des Starters passiert nichts. Hört sich an, wie wenn die Batterie keine Energie mehr hat. Schon gestern Morgen lief die KTM nur mit Mühe an, was sich aber besserte, als ich einige Kilometer gefahren war.
Zum Glück hat der Mann des Guesthouses eine selbstgebastelte Aufladestation, die wir schon gestern kurz angeschlossen haben. So schliesse ich diese jetzt wieder an und warte 30 Minuten. Länger könnte für die Batterie gefährlich sein, da ich keine Ahnung habe, mit was für einer Spannung dieses selbstgebastelte Ladegerät arbeitet.
Die Zeit ist um, Zündung einschalten und Starterknopf drücken. Uh Glück im Unglück und mit Mühe und Not startet die KTM. Ich lasse den Motorlaufen und packe alle meine Sachen aufs Motorrad. Das dauert, musste ich doch alles herunternehmen, da die Batterie unter dem Sattel liegt.
Meine geplante Route kann ich so nicht einhalten und ich entscheide mich, nach Tiflis zum KTM-Händler zurückzufahren. Das sind zum Glück nur 120 km, was ich ohne Zwischenstopp schaffe.
Kurz vor Mittag treffe ich beim KTM-Händler ein. Dort stehen bereits drei BMW-Motorräder vor dem Geschäft, die einer deutschen Familie gehören. Sie haben ihre Motorräder durch den KTM-Händler, der auch Touren und Motorradtransporte anbietet, von Deutschland nach Georgien transportieren lassen. Ihr Ziel ist Armenien und Iran. So plaudern wir ein wenig, bis der Mechaniker Zeit für mich hat.
Die Kontrolle der Batterie zeigt, dass diese in Ordnung ist, worauf der Mechaniker auf den Anlasser tippt. Da dieser schnell ausgebaut ist, macht er sich gleich an die Arbeit. Leider zeigt auch hier die Kontrolle, dass alles funktioniert.
Jetzt holt er das KTM-Diagnostikgerät und schliesst es am Motorrad an. Anhand der übermittelten Daten zeigt das Gerät an, wo der Fehler liegt. Es geht nicht lange und auf dem Bildschirm erscheinen die Kipphebel, was bei mir sofort den Gedanken „gar nicht gut“ auslöst.
Die Kipphebel liegen unter dem Zylinderdeckel, der, nach einigen Demontagearbeiten anderer Teile, aufgeschraubt werden kann. Schnell sehen wir, dass eine Kipphebelrolle verklemmt ist, wodurch die Ventile nicht mehr richtig arbeiten und kein Druck entsteht, um den Motor zu starten.
Der Blick des Mechanikers lässt mich schon erahnen, was jetzt kommt. Sie haben keine Kipphebel an Lager und das Material muss in Österreich bestellt werden. Lieferzeit per DHL Express liegt bei drei Tagen, was ja noch geht, und ich sage sofort ja dazu. Tja, schön wäre es gewesen, den beim Bestellen stellt sich heraus, dass diese Kipphebel auch in Österreich nicht an Lager sind und die nächste Produktion erst per 18.09.2018 erfolgt.
Das sind niederschmetternde News, könnte ich doch so erst per 22. oder 23. September weiterfahren.
So schnell gebe ich aber nicht auf und schreibe ein Mail an meine KTM-Werkstatt in der Schweiz und zugleich ein Protestmail an den KTM-Kundenservice in Österreich. Kurz darauf bestätigt mir leider meine Schweizer Werkstatt, dass die Kipphebel nicht vor dem 18.09.2018 lieferbar sind.
Der Mechaniker hat sich zwischenzeitlich eine Zigarettenpause gegönnt und telefoniert einige Male. Er kommt zurück und sagt, dass er eventuell eine Lösung habe. Wir steigen daraufhin in sein Auto und fahren zu seinem Vater, der, wie er mir auf der Fahrt dahin erzählt, ein erfolgreicher Motorradrennfahrer und Mechaniker war respektive noch ist. Dort angekommen schaut sich sein Vater die Kipphebelrolle und zeigt mit seinen Fingern eine zwei und zeigt auf seine Uhr.
So sind wir in zwei Stunden wieder bei ihm und er übergibt uns den reparierten Kipphebel. Kaum zu glauben, wie er das geschafft hat.
Drei Stunde später fahre ich mit der KTM schon wieder Richtung Hotel. Kurz davor nimmt der Motor über 3’000 Touren keine Leistung mehr an. Fluchend schaffe ich es gerade noch zum Hotel.
Am nächsten Morgen rufe ich den KTM-Shop an und schildere das Problem. Da ich dieses Mal nicht mehr fahren kann, organisiert mir der Shop einen Abschleppwagen, der mich kurz darauf abholt.
So hängt die KTM wieder am Diagnostikgerät, welches auf einen Defekt des Lufttemperaturfühlers anzeigt, der die anziehende Motorenluft misst. Zum Glück ist diese leicht auszubauen und wir reinigen sie und das ganze Luftfiltergehäuse. Vermutlich ist durch das Ein und Ausbauen der Luftfiltergehäuses, um an die Kipphebel zu gelangen, Dreck an die Sonde gekommen, da das Motorrad alles andere als sauber ist.
Am nächsten Tag verabschiede ich mich bei der Hotelinhaberfamilie und fahre Richtung Kaukasus. Ich bin froh, aus Tiflis wegzukommen. Beim ersten Pausenstopp holt mich dann leider die unkonventionelle Kipphebelreparatur ein und die KTM läuft wieder nicht an. Ich beschreibe jetzt besser nicht, was mir dabei alles durch den Kopf gegangen ist.
So bin ich jetzt wieder in Tiflis. Glücklicherweise hat sich in der Zwischenzeit der KTM-Kundenservice bei mir gemeldet. Weitere drei Mails später, bekam ich die Bestätigung, dass sie solche Kipphebel zur Verfügung haben und sie mir diese per DHL Express nach Georgien schicken. Die Versandkosten könne ich nach meiner Rückkehr bezahlen und die Kipphebel gingen auf Garantie. Das Packet sollte, wenn es gut läuft, am Dienstag oder Mittwoch hier eintreffen.
Ich bin froh, das Protestmail verschickt zu haben und mich nicht ausschliesslich auf die Auskünfte der beiden Händler verlassen zu haben.
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